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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Vorbemerkung der Verfasserin
    Es wäre müßig, zu leugnen, daß es die Stadt und Universität Oxford (in aeternum floreant) wirklich gibt und daß sie eine Anzahl von Colleges und anderen Einrichtungen beherbergen, von denen einige in diesem Buch mit Namen genannt sind. Um so nachdrücklicher muß ich versichern, daß von den Personen, die ich auf diese öffentliche Bühne gestellt habe, keine ihr Gegenstück im wirklichen Leben hat. Insbesondere ist das Shrewsbury College mitsamt seinen Professorinnen, Studentinnen und Hausmädchen völlig frei erfunden; und ebensowenig verbergen sich hinter den bestürzenden Ereignissen, die sich hier in seinen Mauern abspielen, solche, die sich irgendwann irgendwo wirklich abgespielt hätten. Kriminalschriftsteller sehen sich durch ihren garstigen Beruf genötigt, ebenso erschreckende wie unerfreuliche Vorfälle und Menschen zu ersinnen, und es steht ihnen frei (wie ich meine), sich auszumalen, was geschehen würde, wenn solche Vorfälle und Menschen über eine unschuldige, wohlgeordnete Gemeinschaft hereinbrächen; darum darf man ihnen aber nicht unterstellen, sie täten so, als wären solche Störungen im Leben einer Gemeinschaft jemals vorgekommen oder könnten möglicherweise einmal vorkommen.
    Gewisse Entschuldigungen meinerseits sind jedoch angebracht: erstens bei der Universität Oxford, der ich einen Kanzler und Vizekanzler eigener Machart vorgesetzt und, über die in den Statuten festgesetzte Höchstzahl hinaus, noch ein College mit 150 Studentinnen angedichtet habe; alsdann (und in tiefster Zerknirschung) beim Balliol College – nicht nur, weil ich ihm so einen ungeratenen Alumnus wie Peter Wimsey aufgeladen habe, sondern vor allem für die bodenlose Unverschämtheit, das Shrewsbury College ausgerechnet auf seinem geheiligten Kricketplatz errichtet zu haben. Beim New College ebenso wie beim Christ Church College und vor allem beim Queen’s College muß ich Abbitte leisten für die Narreteien gewisser junger Herren, beim Brasenose College für die Albernheit eines schon etwas reiferen Herrn und beim Magdalen College für die peinliche Lage, in die ich einen erfundenen Proproktor gebracht habe. Die städtische Müllkippe hingegen ist oder war ein Faktum, und dafür brauche ich mich nicht zu entschuldigen.
    Bei der Rektorin und den Dozentinnen des Somerville College, an dem ich selbst studiert habe, bedanke ich mich herzlich für ihre großzügige Hilfe in Sachen Haus- und allgemeiner Studienordnung – wobei sie für die einzelnen Hausordnungsbestimmungen am Shrewsbury College, von denen ich manche nach eigenen Bedürfnissen erfunden habe, nicht verantwortlich zu machen sind.
    Wen die Chronologie interessiert, der mag aus seinem bisherigen Wissen über die Familie Wimsey schließen, daß dieses Buch im Jahre 1935 spielt; er möge mir dann aber bitte nicht übelnehmen, daß ich das Jubiläum des Königs mit keinem Wort erwähne oder daß ich Wetter und Mondzyklen nach eigenem Gutdünken gestaltet habe. Denn sei der Hintergrund noch so real, die wahre Heimat des Schriftstellers ist das Wolkenkuckucksland, in dem er nichts als Possen treibt, den Mord zur Posse macht; das tut der Welt nicht weh.

1. Kapitel
    Du Narrenmal, du selbsterwählte Schlinge,
Des Wahnes Abschaum, dem der Geist verfiel,
Der Übel Ausbund, Nest der Sorgendinge,
Du Willenswirrsal ohne End und Ziel,
Begier, Begier, ich zahlte, ach, zuviel
Durch Geistesnacht dein Gut, das nur geringe.
    SIR PHILIP SIDNEY
     
    Harriet Vane saß an ihrem Schreibtisch und starrte auf den Mecklenburg Square hinaus. Die späten Tulpen in den Beeten hielten sich tapfer, und vier frühe Tennisspieler zählten laut den Punktstand ihres ziemlich verworrenen, ungeübten Spiels. Doch Harriet sah weder Tulpen noch Tennis. Vor ihr auf der Schreibunterlage lag ein geöffneter Brief, doch ein anderes Bild verdrängte dessen Anblick vor ihrem inneren Auge. Sie sah ein steinernes Viereck, erbaut von einem modernen Architekten in einem Stil, der nicht neu noch alt war, vielmehr versöhnliche Hände nach Vergangenheit und Gegenwart ausstreckte. Inmitten der Mauern lag ein gepflegter Rasen mit Blumenbeeten an den Ecken, umrundet von einem breiten steinernen Plattenweg, der Plinthe. Hinter den gleichmäßig hohen Dächern aus Cotswold-Schiefer erhoben sich die Backsteinkamine eines älteren, nicht so strengen Gebäudekomplexes – auch einigermaßen quadratisch angelegt, aber noch an die Biederkeit der ehemals dort stehenden viktorianischen
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