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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Bachs Doppelkonzert trösten. Wenn Sie mich solange noch ertragen. Danach verziehe ich mich und überlasse Sie –»
    «Wilfrid & Co.», sagte Harriet fast erbittert.
    «Wilfrid?» fragte Peter, der im Moment nicht wußte, wovon die Rede war, und rasch hin und her überlegte.
    «Ja. Ich schreibe Wilfrid um.»
    «Ach du lieber Gott, ja! Der Kerl mit den krankhaften Skrupeln. Wie macht er sich?»
    «Schon besser, glaube ich. Fast menschlich. Ich werde das Buch wohl Ihnen widmen müssen. ‹Für Peter, der Wilfrid zu dem machte, was er ist› – so ähnlich … Lachen Sie nicht so. Ich arbeite wirklich an Wilfrid.»
    Aus irgendeinem Grunde schien diese besorgte Versicherung ihn mehr zu erschüttern als alles bisher.
    «Mein Liebe – wenn irgend etwas, was ich gesagt habe Wenn Sie mich bis an Ihre Arbeit und Ihr Leben herangelassen haben … Halt! Jetzt verziehe ich mich lieber, bevor ich noch etwas Dummes tue … Ich werde mich sehr geehrt fühlen, wenn ich in Wilfrids Hosenaufschlag in die Nachwelt eingehen darf … Kommen Sie am Sonntag? Ich esse mit dem Rektor, werde Sie aber am Fuß der Treppe erwarten … Bis dann.»
    Er huschte über die Galerie davon und war verschwunden. Harriet blieb allein zurück, um über das Königreich des Geistes zu schauen, das schimmernd vom Merton College bis zur Bodleian Library, vom Carfax bis zum Magdalen-Turm reichte. Aber ihr Blick hing an einer schlanken Gestalt, die unten den holprigen Platz überquerte und leichtfüßig unter dem Schatten von St. Mary in die Hight Street einbog. Alle die Königreiche dieser Welt und ihre Herrlichkeit.
    Professoren, Studenten, Gäste; sie saßen alle dicht zusammengedrängt auf den lehnenlosen Eichenbänken, die Ellbogen auf die langen Tische gestützt, die Augen hinter den Fingern verdeckt oder verständig zum Podium gerichtet, wo zwei berühmte Geiger die schönen, kraftvollen Fäden des d-moll-Konzerts ineinanderwoben. Der Saal war sehr voll; Harriets talarumhüllte Schulter berührte die ihres Begleiters, und der Halbmond seines langen Ärmels lag über ihrem Knie. Er saß versunken in reglosem Ernst, mit dem alle wahren Musiker wahrer Musik lauschen. Harriet verstand genug von Musik, um diese Andacht zu respektieren; sie wußte auch recht gut, daß die ekstatische Entrückung im Gesicht des Mannes gegenüber nur den Wunsch verkörperte, für musikalisch gehalten zu werden, und daß die ältere Dame auf der anderen Seite, die ihre Finger im Takt bewegte, ein musikalischer Kretin war. Sie selbst war musikalisch genug, um mit dem Verstand den Tönen folgen und die verschlungenen Ketten der Melodie mühsam, Glied für Glied, entflechten zu können. Peter hörte gewiß den ganzen schwierig ineinandergewobenen Aufbau, jede Stimme einzeln und doch gleichzeitig, jede selbständig und gleichberechtigt, jede für sich und doch untrennbar, über- und unter- und durcheinandergreifend, Herz und Verstand gleichermaßen entzückend.
    Sie wartete, bis der letzte Satz zu Ende war und die Spannung in der vollen Halle sich in Applaus entlud.
    «Peter – was haben Sie neulich gemeint, als Sie sagten, die Harmonie könne haben, wer wolle, wenn er uns nur den Kontrapunkt lasse?»
    «Nun», sagte er kopfschüttelnd, «daß ich polyphone Musik über alles liebe. Wenn Sie glauben, daß ich etwas anderes gemeint habe, wissen Sie auch, was.»
    «Polyphone Musik erfordert viel Können. Man muß mehr sein als ein Geiger. Dazu braucht es einen Musiker.»
    «In diesem Falle zwei Geiger – beide Musiker.»
    «Ich verstehe nicht viel von Musik, Peter.»
    «Wie man in meiner Jugend sagte: ‹Jedes Mädchen sollte ein Instrument spielen lernen – wenigstens genug, um einfache Lieder begleiten zu können.› Ich gebe zu, daß Bach sich nicht für einen eigenwilligen Virtuosen und einen fügsamen Begleiter eignet. Aber möchten Sie eines von beiden sein? Jetzt kommt ein Herr und möchte uns ein paar Balladen vorsingen. Bitte Ruhe für den Solisten. Aber hoffentlich ist er bald fertig, damit wir die große, erhabene Fuge hören können.»
     
    Der Schlußchoral war gesungen, das Publikum strebte dem Ausgang zu. Harriets Weg führte durch den Ausgang Broad Street; Peter folgte ihr über den Hof.
    «Es ist ein schöner Abend – viel zu schade, um ihn ungenutzt zu lassen. Kommen Sie mit zur Magdalen-Brücke und schicken Sie einen Gruß an die Themse.»
    Sie gingen schweigend die Broad Street entlang; ein leichter Wind ließ im Gehen ihre Talare flattern.
    «Diese Stadt hat
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