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Die Mars-Verschwörung

Die Mars-Verschwörung

Titel: Die Mars-Verschwörung
Autoren: David Macinnis Gill
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Kapitel 0
    Christchurch, Capitol City
    Präfektur Zealand
    Annos Martis 238. 7. 16. 18:52
    Vienne zielt, drückt ab und jagt mir eine Kugel direkt in die Brust. Als meine Hand zum Herzen zuckt, bricht in einer Nebenstraße das Pop-pop-pop einer ganzen Serie von Feuerwerkskörpern los, das den Beginn des Geisterfestivals ankündigt und das Schussgeräusch von Viennes Armalite übertönt.
    »Au!« Ich fange das übel verformte Geschoss auf, als es von meiner Körperpanzerung abfällt, und werfe die Bleimurmel achtlos weg. Sie klimpert über ein Dach nach dem anderen, stürzt kaskadenartig den im morgendlichen Dämmerschein badenden Hang hinab. Das scharfe Geräusch hallt von den Wellblechhütten der Favela wider, jener Barackenstadt, in der wir in der letzten Woche Unterschlupf genommen und unseren Blitzzugriff auf ein hochrangiges Ziel in der hiesigen Bibliothek geplant hatten.
    »Jetzt zufrieden?«, frage ich.
    »Es ging mir nur um die Sache.« Vienne grinst, als sie die Patronenhülse aufsammelt. Dann steckt sie das Armalite in ein Halfter, das sich unter ihrem Trenchcoat verbirgt. »Niemand achtet beim Lärm des Festivals auf Gewehrschüsse, also gibt es keinen Grund für uns, wieder unbewaffnet loszuziehen. Dieses Mal bekommen wir es mit CorpCom-Soldaten und Rangern zu tun, nicht mit irgendeinem Hinterwäldler-Polizisten.«
    »Schon gut, schon gut, hab verstanden.« Es bringt nichts, Streit mit einem Partner vom Zaun zu brechen, umso weniger, wenn dieser Partner ein perfekt ausgebildeter Regulator und einer dertreffsichersten Scharfschützen des ganzen Planeten ist. Ich massiere die leicht schmerzende Stelle, an der mich die Kugel getroffen hat, als eine weitere Reihe von Feuerwerkskörpern hochgeht, gefolgt vom Geschrei unserer Mitsquatter. »Musste es unbedingt ein Nahschuss sein?«
    »Nein.« Vienne ergreift meinen Arm und führt mich den Pfad hinunter, den das Abwasser in eine Schlammpiste verwandelt hat. Die Luft ist angefüllt mit dem Gestank von Müll, verbranntem Schießpulver und Kordit. »Aber so macht es mehr Spaß.«
    Ich seufze innerlich. Gerade erst geht die Sonne auf, und schon wird auf mich geschossen.
    »Nur Mut, Cowboy«, sagt die zarte Stimme in meinem Kopf, eine Stimme, die Mimi gehört, der künstlichen Intelligenz, die man mir als Flash-Clone ins Hirn gepflanzt hat. Mimi kontrolliert sämtliche Funktionen meiner symbiotischen Körperpanzerung. Omnipräsent und omnilästig und eine miserable Dichterin noch dazu. »Deine neuromuskuläre Reaktionsrate verrät mir, dass es nicht so schmerzt, wie du vorgibst.«
    »Schmerz ist mehr als die Summe seiner Neuronen, Mimi«, subvokalisiere ich, sodass nur sie mich hören kann.
    »Ja, weil du nicht mal einfache Mathematik beherrschst«, sagt sie. »Nimm die Nächste rechts. Meine Karte weist diese Gasse als Abkürzung aus.«
    »Hier lang«, sage ich zu Vienne und folge dem Weg, den Mimi vorgegeben hat.
    Wir biegen um eine Ecke und sehen uns einem Rudel Skorpione gegenüber   – acht verwilderte Junkies, ungefähr halb so alt wie wir. Ungefähr halb so groß wie wir. Ungefähr zehnmal so bösartig und ausgehungert wie wir. Übersät mit Piercings und selbst gestochenen Tattoos, stinkend und schmutzig vom Kloakenschlamm, die Augen vom Ekstase -Rausch gerötet und ausgerüstet mit kaputten Rohren und Wellblechbruchstücken.
    Der Anführer hat ein Schlachtermesser, dessen Erl mit Klebeband umwickelt ist. Die Klinge ist schartig, verrostet und überaus tödlich.
    »Wozu die Eile?«, fragt der Anführer auf Portugiesisch und entblößt die zerklüfteten Zahnruinen zu einem höhnischen Grinsen.
    »Mach den Weg frei«, warnt ihn Vienne.
    »Zahlt erst mal die Maut«, sagt der Anführer. »Oder ich weide euch aus und hole mir euer Frühstück zurück.« Er malt mit dem Messer eine Acht in die Luft. Die anderen verteilen sich in der Gasse, um uns den Weg zu verstellen.
    »Wie viel?«, frage ich.
    Er leckt sich die Lippen. »Die da«, sagt er und zeigt mit der Messerspitze auf Vienne.
    »Okay.« Ich zucke mit den Schultern und schüttle gleichzeitig den Kopf. »Aber vergiss nicht, du hast es so gewollt.«
    Noch ehe meine Worte eine Reaktion hervorrufen können, die sich in seiner Mimik spiegelt, reißt Vienne ihm das Messer aus der Hand und den dazugehörigen Arm aus dem Schultergelenk und fegt ihm die Beine unterm Hintern weg. Er landet schreiend auf dem Straßenpflaster, während drei seiner Kumpane ihre Rohre schwingen, ohne einen Treffer zu landen.
    Vienne
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