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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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gemeinsamen Schlafsack. Irmeli zog den Reißverschluss zu und sagte: »Gute Nacht, Liebster.«
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    Das Leben besteht aus Abschied, Aufbruch, Reisen. Irmeli Loikkanen und Anna Mäkitalo fuhren zuerst ab. Alles war verziehen!
    Die Französinnen nahmen tüchtig zu, ihr Teint schimmerte rosig. An Rohrkolbenwurzeln hatten sie kein Interesse mehr. Die gut erholten Überlebenskünstlerin­ nen genossen ungeniert die Bewirtung im Lager, sie aßen und schliefen, badeten und sonnten sich. Nach einiger Zeit hatten sie von alldem genug und fuhren nach Frankreich zurück. Dort leben sie noch heute, gut verheiratet.
    Rytkönen nahm an der Jagd teil bis zum letzten Rind. Sorjonen fungierte als sein Waffenträger und händigte dem Patienten das Gewehr immer nur für den kurzen Augenblick aus, der für den tödlichen Schuss erforder­ lich war. Und jedes Mal, wenn ein Tier fiel, pustete der Panzersoldat den Rauch vom Gewehrlauf und übergab die Waffe wieder an »Doktor« Sorjonen.
    Der albanische Architekt Georg Skutarin und der bosnische Taxifahrer Girill Jugrazar verarbeiteten ein Rind nach dem anderen zu Wurst und Trockenfleisch, sie salzten Fleisch in den Behältern ein, aßen selbst davon und verpflegten ihre finnischen Freunde. Alle Männer nahmen ordentlich zu und wurden kräftig.
    Eines Tages im Spätsommer zertrümmerte Heikki Mäkitalo mit dem Hammer seinen Gips, der ihm bis zur Leiste reichte, er wusch sein gelb gewordenes Bein im See und machte die ersten Schritte ohne Krücken. Noch am selben Tag beluden die Männer vom Balkan ein Boot mit Fleisch und baten Sorjonen, sie ins Dorf hinter dem See zu bringen. Die schweren Würste über die Schultern gehängt und die Fleischbehälter im Gepäck, blieben sie im Zentrum von Lestijärvi zurück, um auf den Eilbus nach Seinäjoki zu warten. Sie beabsichtigten, einen Teil der Fleischprodukte an die Küche des Hotels Lakeuden Esi-Kartano zu verkaufen und mit dem so erworbenen Geld ihre Heimreise zu finanzieren, die Fahrt zurück ins brodelnde und doch zugleich lockende Pulverfass auf dem Balkan. Beladen mit Fleisch, konnten sie das Risi­ ko wohl wagen.
    Sowie sich Heikki Mäkitalo aus seinem Gips geschält hatte, okkupierte Taavetti Rytkönen das Krankenbett seines alten Kriegskameraden. Mäkitalo hatte nichts dagegen, sondern sagte nur, er habe lange genug in dem Chromgestell gelegen. Ohne Umstände zu machen, zog er in Rytkönens frei werdenden Schlafsack auf der ande­ ren Seite des Zeltes.
    Endlich wurde auch Eemeli getötet. Das erledigte Bauer Heikki Mäkitalo höchstpersönlich. Der Leitbulle wurde in der Gegend erlegt, in der die Französinnen zunächst ihr Lager aufgeschlagen hatten. Eemelis Tod hatte etwas Symbolisches: Der Bulle starb an einem Schuss seines Herrn, fiel stolz als Letzter, wie es sich für den Anführer einer Herde gehört.
    Der Sender wurde von Eemelis Hals entfernt. Als am selben Abend der Spinner Koistinen zur Fähre gerudert kam und etwas von internationalem Tourismus faselte, versteckte Mäkitalo den kleinen Sender in der Seitenta­ sche von Koistinens Rucksack. Als Koistinen, der zum Nachtangeln wollte, wieder weg war, erklärte Mäkitalo, er wolle den Empfänger Koistinens Frau schenken, damit diese künftig per Funkpeilung die Ausflüge ihres Mannes verfolgen könne. Koistinen sei in seiner Ehe so untreu, dass ein solches Beobachtungssystem absolut angebracht sei. Den Etat der Familie belasteten nämlich diverse Unterhaltszahlungen, die auf Koistinens Waldausflüge vergangener Jahre zurückzuführen seien.
    »Doktor« Seppo Sorjonens Lazarett wurde aufgelöst, denn der Hauptteil der Patienten war geheilt. Rytkönen war als hoffnungsloser Fall eingestuft worden. Die De­ menz hatte endgültig Gewalt über ihn bekommen. Er war quengelig wie ein kleines Kind, verlangte, dass nachts jemand bei ihm war, konnte sich an nichts erin­ nern, kritisierte mit scharfen Worten sowohl Sorjonen als auch Mäkitalo und war in jeder Hinsicht schwierig. Sorjonen war nur froh, dass Rytkönen sein Zustand selbst nicht bewusst war oder er ihn sich zumindest nicht eingestand. Er war tyrannisch und selbstsüchtig, genoss ansonsten aber ganz offensichtlich sein Dasein.
    Zum Abschluss des Sommers wurde das Fleisch vom Leitbullen Eemeli ins Boot geladen, das Lager wurde abgebaut, Rytkönens Bett auf die Ruderbank gehievt. Das Fleisch und die Kriegsveteranen wurden von Sorjo­ nen ans Nordwestufer des Sees gerudert, wohin Anna Mäkitalo mit dem Traktor bestellt worden war.
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