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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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Barsche mehr angeln konnte. Aber vielleicht hatte Rytkönen einen Blinker? Mäkitalo zog mit der Angelrute Rytkönens Rucksack heran. Zu seinem Ärger stellte er fest, dass sich in der Seitentasche nur ein einziger großer Holzfisch befand. Das übrige Angelzeug lag wahrscheinlich im Depot unter der Plane. Zum Zeitvertreib befestigte Mäkitalo den wütend aussehenden künstlichen Fisch an der Angel­ schnur und warf ihn aus. Durch die Zeltöffnung sah er, wie der Köder auf dem Wasser schwamm und vom Wind auf den See hinausgetrieben wurde. Als sich die Angel­ schnur straffte, sank der Holzfisch unter die Wasser­ oberfläche.
    Die Sonne schien, die Möwen kreischten, irgendwo schrie ein Rabe. So ließ es sich aushalten, dachte der Angler, zog hin und wieder ein wenig an der Schnur und ließ den Blinker in den Wellen versinken. Die Zeit ver­ ging angenehm.
    Plötzlich hörte er es im See platschen. Über dem Holz­ fisch verbreiterte sich ein Wellenring. Die Schnur spann­ te, an der Angel hing ein großer Fisch. Die Rute glitt Mäkitalo aus der Hand, fast wäre sie in den See gefallen, hätte sich nicht die Schnur um seinen Gips gewickelt. Geschickt entwirrte Heikki Mäkitalo die Schnur und hielt dann die Rute wieder fest in der Hand. Das gesam­ te Zelt bebte vom Widerstand des Fisches. Dieser wollte Mäkitalo in den See reißen, aber der Alte stemmte sich dagegen. Die Vorhänge an der Zeltöffnung flatterten, als die Schnur zischend hin und her fuhr. Es schauderte Mäkitalo. Wie sollte das enden, würde ihn das Biest etwa von der Fähre herunterziehen? Er fürchtete, dass die Schnur reißen könnte.
    Das Gipsbein fiel herunter. Das Chromgestänge des Krankenhausbettes dröhnte wie eine Kirchenglocke. Jetzt konnte Mäkitalo besser agieren, da sein Bein nicht mehr an der Decke befestigt war. Er begann, die Bewe­ gungen des Fisches bewusst zu steuern. Das Tier muss-te müde gemacht werden.
    Jetzt hätte Rytkönen da sein müssen, er hätte die Beute im Wasser erschießen können.
    In der knochenharten Faust eines alten Panzersolda­ ten kann selbst ein großer Fisch nicht lange herumzap­ peln. Mäkitalo humpelte aus dem Zelt und zog den Fisch näher an die Fähre heran. Es war ein Hecht, und zwar ein ungeheuer großes Exemplar! Mäkitalo hätte am liebsten vor Glück geschrien.
    Noch befand sich der Fisch jedoch im Wasser. Wie sollte Mäkitalo ihn herausbekommen, wo er doch keinen Käscher zur Verfügung hatte? Am Ufer waren die Plas­ tikbehälter aufgestapelt, aber er konnte sich unmöglich mit dem schweren Gipsbein bis dorthin schleppen. Mäkitalo überlegte, plötzlich hatte er eine Idee. Er griff sich Rytkönens Rucksack, schnitt mit dem Dolch die Verschlussklappe ab und schüttete den Inhalt des Rucksacks auf den Boden. Dann legte er sich am Rand der Fähre auf den Bauch und hielt mit einer Hand den Rucksack ins Wasser, mit der anderen Hand versuchte er, mithilfe der Angelrute den Riesenhecht zur Ruck­ sacköffnung zu dirigieren.
    Kein Fisch schwimmt gern in einen Rucksack hinein. Dreimal schoss der Hecht wieder davon, doch jedes Mal konnte ihn Mäkitalo nach und nach wieder zurückho­ len. Der Hecht war so groß, dass er nur knapp in den Rucksack hineinpasste. Es kostete Mäkitalo viel Kraft, die schwere Last auf die Fähre zu hieven, dabei geriet literweise Wasser mit hinauf. Aber er musste es schaf­ fen. Mäkitalo zerrte den Rucksack irgendwie herauf, dann tötete er den Hecht mit der Axt. Das Biest hatte den Holzfisch bis in den Magen hinuntergeschluckt, sodass in den Kiemen Späne steckten. Mäkitalo schätz­ te, dass der Fisch mehr als einen Meter lang war und mindestens fünfzehn Kilo wog.
    Als sich Mäkitalo ein wenig ausgeruht hatte, schlepp-te er seine Beute ins Zelt und legte sie neben sein Kran­ kenbett. Anschließend befestigte er sein Gipsbein wieder in der Halterung. Der Hecht lag auf dem Boden wie eine Bahnschwelle. Mäkitalo betrachtete ihn anerkennend. Ein harter Kämpfer, das musste er zugeben. Allerdings war er der Ansicht, er selbst habe auch Geschichte gemacht. Welcher Angler konnte sich schon rühmen, einen so großen Fisch vom Bett eines Lazaretts aus geangelt zu haben, das eingegipste Bein im Streckver­ band? Dieser Raubfisch müsste fotografiert und dazu ein Bericht geschrieben werden, unter welchen Bedin­ gungen er gefangen worden war. Der Bericht und das Foto könnten an die Redaktion des Guiness-Buchs der Rekorde geschickt werden, dort würde man garantiert staunen.
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