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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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des Zubers geschraubt worden waren. Danach wurden die Würste in dem Hundertliter­ kessel gekocht, den Sorjonen in Lestijärvi gekauft hatte. Die fertigen Produkte wurden in Plastikbehältern aufbe­ wahrt, die in der Quelle kalt gestellt wurden. Jugrazar erklärte, dort könnten sie sich wochenlang halten.
    So schmackhafte Würste hatten Rytkönen, Sorjonen und Mäkitalo noch nie in ihrem Leben gegessen.
    In der Lebensmittelindustrie muss peinlichst auf Sauberkeit geachtet werden, außerdem muss dafür gesorgt werden, dass die Abfälle sorgfältig in den Kreis­ lauf der Natur zurückgeführt werden. Die Wurstfabri­ kanten trugen ihre Abfälle bis an den Rand des Moores, wo sie eigens eine Grube ausgehoben hatten. In der Vogelwelt hatte sich die Kunde von der Wurstfabrik rasch verbreitet. Am Ufer vor der Fähre stellten die Männer deshalb eine furchterregende Vogelscheuche auf, um die zahlreich erscheinenden Krähen und Raben zu verjagen.
    Der Qualitätsüberwachung wurde besondere Auf­ merksamkeit geschenkt. Gnadenlos wurden die Partien aussortiert, die zu viel oder zu wenig geräuchert waren oder bei denen beim Kochen ein Fehler passiert war. Rytkönen betätigte sich bereitwillig als Verkoster der fertigen Produkte. Er lobte die Würste überschwänglich und sagte, sie seien von erstklassiger Qualität.
    Die von Louise Chantal angeführten französischen Überlebenskünstlerinnen verfolgten die Aktivitäten in der Wurstfabrik, dabei lief ihnen das Wasser im Mund zusammen. Vegetarier gelten allgemein als charakter­ fest, doch alles hat seine Grenzen. Die Würste dufteten während des Räucherns dermaßen verlockend, dass den Französinnen ganz schwindlig wurde, wenn sie im Ge­ büsch am Ufer heimlich die Männer beobachteten.
    Die Französinnen waren mit den Schwierigkeiten im Himalaja klargekommen, indem sie sich an den Käse der Gebirgsbewohner gehalten hatten. In der Wüste Kalaha­ ri hatten sie überlebt, indem sie Echsen aus dem Sand gegraben und den Lebenssaft der Fettpflanzen ausge­ saugt hatten. Aber hier im harten Österbotten war die Natur karg und der Boden unfruchtbar. Der Proviant, den Wildmarkführer Rientola zurückgelassen hatte, war schwesterlich aufgeteilt und längst verzehrt worden. Die kümmerlichen Naturkräuter und unreifen Preiselbeeren reichten nicht, um ihre Mägen zu füllen.
    Gemeinsam mit Louise verfolgten die Teilnehmerinnen des Überlebenstrainings die Produkttransporte der Wurstfabrik. Sie beobachteten aus ihrem Versteck, wie die geschlossenen Behälter in der Quelle versenkt und mit großen Steinen beschwert wurden.
    Als die Männer am nächsten Tag kamen, um eine neue Partie Würste in der Quelle kalt zu stellen, muss-ten sie feststellen, dass ein Behälter entwendet worden war. Ein dreister Diebstahl war geschehen.
    Hinter der Sache steckten natürlich die ausgehunger­ ten Französinnen, die in der Nacht zur Quelle geschli­ chen waren. Der vegetarische Kampf war verloren, der Glaube an Seerosenwurzeln gebrochen. Der Behälter war unter Louises Kommando geraubt und im Lauf­ schritt ins Lager geschleppt worden, wo ein großes Feuer entfacht worden war. Die ausgemergelten, spin­ deldürren Frauen hatten gewaltige Mengen Wurst ver­ schlungen. Infolge des ungewohnten nächtlichen Pras­ sens waren sie ohnmächtig geworden. Sie hatten Durch­ fall bekommen, doch nachdem sie sich morgens Kräu­ tertee gekocht hatten, hatten die Magenbeschwerden nachgelassen. Im Laufe des Tages hatten sie weiter Wurst gegessen, bis der ganze Behälter leer war. Nach Ende des Gelages hatten sämtliche Teilnehmerinnen einen ganzen Tag lang mit prallen Bäuchen im Moos gelegen. Es hatte nicht viel gefehlt, und sie wären an der plötzlichen heftigen Nahrungszufuhr gestorben.
    Als sie wieder zu Kräften kamen, hatte niemand von ihnen mehr eine hohe Meinung von der Glückseligkeit des Vegetariertums. Einhellig beschlossen sie, sich auf der Fähre zu melden, den Wurstraub zu gestehen und gleichzeitig die Barbaren im Namen der Menschlichkeit um humanitäre Ernährungshilfe zu bitten.
    Währenddessen lag im Zelt auf der Fähre ein einsa­ mer Patient, Heikki Mäkitalo. Die beiden Osteuropäer sowie Taavetti Rytkönen und »Doktor« Sorjonen verfolg­ ten im Gelände die Spuren der Wurstdiebe. Mäkitalo hatte keine Schmerzen, lediglich die Zeit wurde ihm lang, weil er sich wegen seines Gipsbeines im Streckver­ band nicht bewegen konnte. Ihm waren die Köder aus­ gegangen, sodass er auch keine
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