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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers
Autoren: Stephen R. Lawhead
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daß sie ihn schlagen würden.
    Inmitten der Schreie und des Schlagens der Lanzen steckte Mur-do zwei Finger in den Gürtel, zog ein Knäuel fest gesponnener Wolle heraus und band ein Ende des Fadens um den langen Stamm des Farns neben seinem Kopf. Dann kroch er mit vorsichtigen Bewegungen weiter und legte den Faden aus.
    Langsam, ganz langsam, bewegte er sich mit der kalten Geschicklichkeit einer Schlange und hielt nur inne, wenn er wieder ein Stück Faden aus dem Knäuel lösen mußte. Dann kroch er weiter, den Kopf tief unter den dunkelgrünen Farnwedeln, und zwang sich, ruhig zu bleiben. Sollte er sich jetzt zu schnell bewegen, würde das seinen sicheren Untergang bedeuten.
    »Wir wissen, daß du hier bist!« rief Torf. »Wir haben dich gesehen! Steh auf, und zeig dich, du Feigling! Hörst du mich? Du bist ein Feigling, Murdo!«
    »Gib auf!« forderte auch Paul, der Murdo schon gefährlich nahe gekommen war. »Wir lassen dich auch wieder gehen!«
    »Ergib dich, Kerl!« meldete sich schließlich Skuli erneut zu Wort. »Du bist gefangen!«
    Murdo schwieg. Selbst als Pauls Lanze seinen Kopf nur um Haaresbreite verfehlte, sprang er nicht auf und rannte davon, sondern duckte sich im Gegenteil noch tiefer und wartete, bis sich die Pferde wieder entfernten. Als sich das Knäuel dem Ende zuneigte, hielt Murdo schließlich an und lauschte auf die Pferde, um abzuschätzen, wo sich jeder seiner Verfolger befand und wie weit sie von ihm entfernt waren. Befriedigt stellte er fest, daß sie alle zehn oder mehr Schritt von ihm weg waren. Er atmete tief durch und riß mit einem kräftigen Ruck an dem Wollfaden.
    Murdo wartete, und als nichts geschah, riß er erneut an dem Faden.
    »Dort drüben!« schrie Skuli. Die anderen beiden stießen einen Triumphschrei aus, rissen ihre Pferde herum und eilten zu dem angegebenen Ort.
    Doch Murdo hatte den Faden bereits losgelassen und rutschte nun so schnell er konnte den Hügel hinunter. Als er das Ufer des kleinen Flusses erreichte, riskierte er es, einen Blick zurückzuwerfen: Alle drei Reiter hatten sich im Sattel aufgestellt, die Lanzen eingelegt und riefen in den Farn hinein, Murdo solle sich ergeben.
    Lächelnd ließ sich Murdo die Uferböschung zum Fluß hinunter. Das Wasser war flach und kalt, doch er biß die Zähne zusammen und eilte weiter.
    Während die Reiter noch immer verlangten, daß er sich ergeben solle, entkam Murdo durch das seichte Flußbett.
    Es war Niamh, die Murdo schließlich einfing, als er um die Scheune herumschlich in der Hoffnung, unentdeckt auf den Hof zu gelangen. »Murdo! Da bist du ja«, schimpfte sie. »Ich habe dich schon überall gesucht.«
    »Herrin«, erwiderte Murdo und richtete sich auf. Er drehte sich um und sah Niamh mit gerafftem Rock und einem Funkeln in den Augen auf sich zueilen.
    »Nichts mit >Herrin    »Es tut mir leid, Mutter«, erwiderte Murdo mit einer männlichen Stimme, die in krassem Gegensatz zu seinem kindlichen Verhalten stand. »Das war das letzte Mal, und.«
    »Hase und Jäger in deinem Alter. Murdo!« schnappte Niamh. Sie schaute ihm in die Augen, und ihr Tonfall wurde ein wenig sanfter. »Ach, mein Herz«, sagte sie und ließ ihn los. »Du solltest nicht zulassen, daß sie dich so behandeln. Das ist dem Sohn eines Herrn nicht angemessen. Es schickt sich nicht.«
    »Aber sie konnten mich nicht fangen«, protestierte Murdo. »Das konnten sie noch nie.«
    »Der Abt ist hier«, sagte Niamh, zupfte an dem nassen, verdreckten Wams ihres Sohnes und strich mit der Hand darüber.
    »Ich weiß. Ich habe die Pferde gesehen.«
    »Er wird dich für einen der Diener halten. Und wer ist schuld daran? Du.«
    »Und wenn schon«, entgegnete Murdo verärgert. »Ich gehe doch sowieso nicht.«
    »Wie solltest du auch? Du bist erst zehn und vier Jahre alt.«
    »Zehn und fünf. in fünf Monaten«, widersprach Murdo. »Außerdem bin ich größer als Paul - und stärker.« Aber seine Mutter hatte sich bereits umgedreht und ging davon. Rasch eilte er ihr hinterher. »Was will der Abt hier?«
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    »Es ist wegen der Versammlung«, antwortete Murdo.
    »Genau.«
    »Wann?«
    »Frag den Abt«, erwiderte Niamh. »Du wirst ihn
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