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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers
Autoren: Stephen R. Lawhead
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verliert der Stab seine Rundung, flacht ab und geht in die Breite. Er verläuft sich in einer dreieckigen Spitze. Dort gibt es drei... wie soll ich sie nennen? Vorsprünge? Kleine Flügel, wenn Ihr so wollt. Diese Flügel sind dünn, und.
    Während ich über die Natur des Gegenstandes rätsele, den ich ge-fanden habe, höre ich das Rauschen von Luft, viel Luft, doch ich spüre nicht den geringsten Windhauch auf meiner Haut. Schweiß-tropfen sammeln sich auf meiner Stirn.
    Fast gleichzeitig scheint es mir, als würde der Boden unter meinen Füßen sich neigen. Ich taumele vorwärts und umklammere mit einer Hand den Metallstab. Mit der freien Hand packe ich den Rand der Nische und torkele unbeholfen gegen die Wand. Nun erfüllt ein Dröhnen die Höhle. Dann erkenne ich, daß das Geräusch nur in meinem Kopf existiert: Es ist das Pochen des Blutes in meinen Schläfen. Ich stütze mich an der Wand ab und versuche, mich umzudrehen, muß aber erkennen, daß ich nicht länger stehen kann.
    Ich hechele wie ein Hund. Mein Atem geht schnell und flach, als wäre ich meilenweit gerannt. Schweiß läuft mein Gesicht herab. Ich halte mich an der Wand fest, lehne mich gegen sie aus Angst, die Treppe zu dem kleinen Vestibulum hinunterzustürzen, falls ich loslassen sollte. Also gleite ich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden, umklammere den Metallstab und schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Unter mir bebt der Boden; ich spüre, wie die Vibrationen von den Steinen in meine Knochen wandern. Mein Mund ist trocken, und auf meiner Zunge liegt der Geschmack von saurer Milch. Der Schweiß läuft nun in Strömen über mein Gesicht. Als ich den Hinterkopf gegen die massive Steinwand presse, spüre ich, wie mein armes Herz in der Brust immer schneller schlägt.
    So also werde ich sterben, denke ich.
    Leuchtende Flecken tanzen vor meinen Augen. Wie Leuchtkäfer erstrahlen die verwirrenden Punkte und verblassen wieder, tauchen auf und verschwinden in der großen Leere der Höhle. Im Gegensatz zu Leuchtkäfern werden sie jedoch stetig größer und gewinnen an Substanz. Ich sehe Farben: kühn, lebhaft und schockierend in ihrer Intensität. Das Licht wird stärker und vereint sich zu hellen Kugeln.
    Das muß das letzte Aufbäumen eines sterbenden Gehirns sein, aber nein. Ich sehe, wie ein Teil der Höhlenwand von den ständig sich verändernden Lichtkugeln erhellt wird. Eine von ihnen treibt nahe zu mir heran und wirft ihr sanftes Licht auf mich. Mehr noch, ich kann etwas in der Kugel sehen: die undeutlichen Umrisse menschlicher Gestalten.
    Die Bilder in der Kugel bewegen und verändern sich und füllen schließlich mein gesamtes Blickfeld. Außer der Kugel vermag ich nichts mehr zu sehen, und ihr Licht wird immer stärker. Ohne Vorwarnung bricht die Vision über mich herein. Ein plötzlicher Lichtblitz, und von einem Augenblick auf den anderen ist die Höhle erfüllt von funkelnden Bildern. Sie fliegen an meinen geblendeten Augen vorüber, ein strahlender Blizzard, jedes Bild ein brennender Funke, der tief ins weiche Gewebe meines Gehirns eindringt. Jedes einzelne brennende Partikel ist Teil eines großen Ganzen, das sich immer mehr zusammenfügt, je mehr Teile sich in meinem Geist sammeln.
    Einzelne Fragmente verschwinden in dem nach und nach entstehenden Ganzen, und ich beginne zu sehen - keine zerbrochenen Teilbilder, nein, das Gesamtbild. Mit der Klarheit eines Traums sehe ich alles, ja, mehr noch: Ich erschaue. Ich bin ein Teil des Traums geworden; ich lebe in ihm, während er in meinem Geist Gestalt annimmt.
    Noch immer dringen blendende Bruchstücke, diese sprühenden Traumsplitter, auf meine Sinne ein und setzen sich tief in meiner Wahrnehmung fest. Ich bin wehrlos gegen diesen Angriff. Ich kann nur Augen und Mund aufsperren und mich der blendenden Flut ergeben. Aber es ist so viel! Eine Kaskade von Szenen bricht über mein Bewußtsein herein, und ich werde zu einem Ertrinkenden inmitten eines reißenden Stroms.
    Dem, was ich sehe, kann ich weder Sinn entnehmen noch es verstehen; der Traum ist zu gewaltig, zu chaotisch, zu wild. Ich kann ihn nur in mich aufnehmen. Doch er hat eine Bedeutung. Ich kann es fühlen. Dieser Traum ist keine Halluzination, kein Schattenspiel eines unter Drogen stehenden, fiebrigen Gehirns. Mich erfüllt zunehmend Gewißheit, daß die Dinge, die ich sehe, tatsächlich geschehen sind, egal wie bizarr oder chaotisch sie mir auch erscheinen mögen.
    Der Traum ist echt. Es ist
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