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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers
Autoren: Stephen R. Lawhead
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warteten. Tatsächlich unterhielt der Herr von Hrafnbu überhaupt keine Kämpfer, und am Julfest und anderen heiligen Tagen genügten seine Familie und seine Freunde, um die niedrige Halle zu füllen; kamen weitere Gäste, wurden zusätzlich Tische und Bänke im Hof aufgestellt. Trotzdem war Ranulfs Bier gut, dunkel und süß, und das Feuer in seinem Kamin war so warm wie das eines jeden Königs.
    Murdo mochte die Halle und das massive Steinhaus, und als er sah, wie der Abt mit einem gleichgültigen Blick seine Umgebung in sich aufnahm, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Ranulf bemerkte das beleidigende Verhalten des Kirchenmannes jedoch nicht, während er den Mönchen einschenkte. Als die Becher gefüllt waren, hob er den seinen und sagte: »Gesundheit und langes Leben. Ruht Euch aus und seid willkommen in meinem Haus.« Die heiligen Männer nickten schweigend, dann tranken alle.
    »Herr Ranulf«, bemerkte der Abt und setzte seinen Becher ab, »es ist mir eine Freude, hierzusein. Ich hatte schon lange im Sinn, Euch zu besuchen, und dank der Entscheidung des Jarls hat sich nun endlich die glückliche Gelegenheit dazu ergeben.«
    »Ihr ehrt mich mit Eurer Gesellschaft, Abt Gerardus«, erwiderte Ranulf und schenkte nach. Schließlich war der Krug leer, und der Herr von Hrafnbu wollte ihn gerade auf die Tafel stellen, als er seinen Sohn bemerkte und ihn zu sich winkte. »Hier, Murdo, füll den Krug nach.«
    Murdo machte sich sofort daran, den Auftrag auszuführen, um so wenig wie möglich von dem Gespräch zu versäumen. Er rannte aus der Halle in die Küche und zu dem Bottich in der Ecke, hob den hölzernen Deckel an, tauchte den Krug in das kalte, braune Bier, zog ihn heraus und hatte die Küche bereits wieder verlassen, bevor der Deckel wieder hinunterfiel. Den tropfenden Krug brachte er zu seinem Vater und stellte ihn neben ihn auf die Tafel.
    »Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte Ranulf gerade. Murdo bemerkte, daß die Stirn seines Vaters erneut in Falten lag. »Doch ich hatte gehofft, er würde seine Meinung ändern.«
    »Ohne Zweifel hat Jarl Erlend genug eigene Sorgen, um die er sich kümmern muß«, bemerkte der Abt bedächtig.
    »Nein«, widersprach Ranulf voller Verachtung, »die Sorgen der Heiligen Mutter Kirche sind die Sorgen aller guten Christenmenschen. Welche irdische Pflicht kann größer sein?«
    »Natürlich stimmen sowohl der Bischof als auch ich mit Euch in diesem Punkt überein«, antwortete Abt Gerardus. »Das ist auch der Grund, warum wir beim Jarl vorstellig geworden sind; doch unglücklicherweise war uns kein Erfolg beschieden.« Er nahm sich ausreichend Zeit, um sein Leid gebührend zur Schau zu tragen, bevor sich seine Züge wieder aufhellten. »Trotzdem bin ich froh, Euch mitteilen zu können, daß er letztlich doch die Weisheit unserer Bitte erkannt und zugestimmt hat, seine Entscheidung ein wenig abzumildern.« Der Abt hielt einen Augenblick lang inne und frönte seinem eigenen selbstgefälligen Lächeln. »Sind die Interessen der Kirche in Gefahr, wird jeder in uns einen gefährlichen Gegner finden.«
    »Dessen bin ich sicher«, erwiderte Ranulf rasch. Voller Verachtung wartete er auf die Worte, die er nun schon seit zwei Monaten hören wollte.
    Doch Abt Gerardus genoß seine Rolle als Abgesandter und ließ sich nicht drängen. »Natürlich ist der Jarl ein schwieriger Mann, um es vorsichtig auszudrücken. Es ist nicht leicht, ihn von etwas zu überzeugen. Wäre da nicht die Freundschaft des Bischofs mit König Magnus, dann glaube ich nicht, daß.« Erneut hielt er inne. »Aber wie auch immer: Das alles ist nun erledigt, und ich freue mich, Euch mitteilen zu können, daß wir erreicht haben, was wir erreichen wollten - jedenfalls teilweise.«
    »Ja?« drängte Ranulf und beugte sich ein wenig vor.
    Abt Gerardus hob den Kopf, als wolle er sein Gegenüber segnen. »Obwohl Jarl Erlend an seiner Entscheidung festhält, hat er geschworen, keinen Edelmann zu bestrafen oder zu behindern, der sich dem Kreuzzug anschließen will.«
    »Gut!« rief Ranulf und schlug mit der Hand auf die Tafel.
    »Gott sei gepriesen«, murmelten die Mönche und nickten zufrieden.
    »In der Tat«, fuhr der Abt fort, »ist es jedem Vasallen des Jarls gestattet, in dieser Sache seinem eigenen Gewissen zu folgen.«
    Frau Niamh trat neben ihren Mann. Von allen Anwesenden war ihr Gesicht das einzig düstere. Ranulf bemerkte ihren mißbilligenden Ausdruck jedoch nicht. Erregt von der Aussicht, die ihn erwartete,
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