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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes
Autoren: Arto Paasilinna
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Waldes. Er herrscht über den Wald mitsamt seinen Tieren, über das Wild und die Forstwirtschaft. Tapio ist ein sanftmütiger Herr, und sanftmütig sind auch seine Frau und seine Kinder: das Weib Nyrkytär, die Tochter Myyrikki und der Sohn Nyyrikki. Tapios Mutter, die sanfteste von allen, heißt Mieluutar. Ihr ureigenster Schützling ist das Eichhörnchen, und die Kiefer ist ihr Opferbaum. Vor langer Zeit, als es auf der Welt noch mehr Eichhörnchen als Finnen gab und in Finnland nur Laubbäume und Fichten wuchsen, hatte Ukko Obergott den Wunsch, mit Mieluutar zu schlafen. Ohne eine Morgengabe war Mieluutar dazu aber nicht bereit. Ukko fragte sie:
    Woran fände Mieluutar Gefallen?
    Bescheiden wie sie war, erbat Mieluutar nichts für sich selbst. Statt dessen dachte sie an ihre Eichhörnchen und sagte dem Donnergott einen beziehungsreichen Vers auf:
     
    Das Eichhörnchen lebt in der Birke nicht,
    noch klettert’s in der Fichte…
     
    So wurde Mieluutar der Sohn Tapio geboren, und in Finnland wuchsen von nun an mächtige Kiefern als Wohnbäume für die Eichhörnchen. Bis auf den heutigen Tag quartieren sich die Eichhörnchen am liebsten in Kiefern ein, und gerade diese Baumart gilt auf dem Exportmarkt als das meistgeschätzte Schnittholz.
    Die Gräberwichtel, neugierige und muntere Wesen, wunderten sich über diese merkwürdigen neuen »Fichten«, die den alten über den Kopf wuchsen. Sie sprachen so eindrucksvoll darüber, daß man anfing, sie Fichtelmännchen zu nennen. Im Lauf der Jahrtausende hat sich daraus die heutige Form des Namens entwickelt: Die Schutzgeister der Friedhöfe und Leichenhallen sind die Wichtelmännchen. Kaum jemand kennt heute noch den wahren Ursprung dieser Bezeichnung trotz des hohen Niveaus der mythologischen Forschung.
    Hittavainen ist Tapios Gehilfe, seine ursprüngliche Aufgabe bestand darin, Hasen für Tapios Tafel zu jagen. Heutzutage kümmert er sich um Abschußgenehmigungen für Elche sowie um Naturschutzangelegenheiten.
    Der Schutzgeist des Wasser heißt Ahti. Er wird von einer Meerjungfrau namens Vellamo unterstützt. Manchmal spielen Ahti und Vellamo so hemmungslos im Meer und in den Seen, daß das Wasser schäumt, aber im allgemeinen ist Ahti zurückhaltend und friedlich. Tapio, Hittavainen und Ahti verfolgen besorgt die Verschmutzung der Natur in Finnland und auf dem gesamten Globus. Sie haben Ukko Obergott von der alarmierenden Sachlage berichtet, doch der Donnergott hat gesagt, er könne die Menschheit keinesfalls zu besserem Benehmen zwingen. Zwar könne er die ganze Erdkugel aus der Umlaufbahn heben, wenn es darauf ankäme, aber selbst wenn damit das Umweltproblem gelöst sei, hätte man doch zugleich die ganze Erde zerstört.
    Der Donnergott hat einen Sohn, Rutja, der stattlichste und jüngste von allen Göttern. Rutja ist mutig, fähig und geschickt, wenngleich noch ziemlich unerfahren. Manchmal hält er sich in der Unterwelt Tuonela auf, um seinen Stiefbruder Turja zu besuchen. Dann unterbricht Turja seine Blutkochgeschäfte mit den Sündern, und die beiden Götter fahren mit dem Floß den Totenfluß hinunter. Mit wildem Gebrüll schießen sie durch die kochenden Fluten, und wenn sie ruhige Wasser erreicht haben, lachen sie und schlagen sich gegenseitig auf den Rücken. So vertreiben sich junge, ungestüme Götter die Zeit! Im Himmel versucht Rutja, durch verführerische Reden Ajattara für sich zu gewinnen, aber die hektische Göttin lacht nur und läuft davon. Eigentlich hat Rutja nichts Besonderes zu tun und fragt alle deshalb ununterbrochen, was er anfangen könne. Er steckt voller Tatkraft und ist ruhelos.
    Die ganze göttliche Organisation hat in den letzten fünfhundert Jahren mit verminderter Kraft gewirkt. Die Götter der Finnen haben betrübten Sinnes feststellen müssen, daß fremder Glaube und falsche Götter das finnische Volk komplett verdorben haben. Im Lauf der Jahrhunderte ist immer wieder über den Verfall des althergebrachten Glaubens nachgedacht worden, aber man konnte keine taugliche Lösung des Problems finden. Die Götzenverehrung hat in Finnland derart breite Unterstützung gefunden, daß nur noch ungefähr fünfhundert Finnen an Ukko Obergott und die anderen alten wahren finnischen Götter glauben.
    Der Donnergott und Ilmarinen empfinden an und für sich nicht den geringsten Haß gegenüber Jesus und dem Gott der Christen. Im Gegenteil, mag an sie glauben, wer will. Aber den Christen steht es nicht zu, den Donnergott einen Götzen zu nennen und
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