Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
schlurfe der alte Tavasti Ronkainen mit der Nachttischlampe in der Hand durch die Zimmer.
    In allen alten Häusern spukt es, da hatten die Frauen recht.
    »Ist das ein Leben!« meinte Anelma mit einem unfreundlichen Blick auf Sampsa, der immer noch am Ende der Birkenallee neben dem Briefkasten stand. Sirkka stimmte zu. Auch sie fand, daß dies ein Leben sei.
    »Heute machen wir mal nichts«, schlug sie dann vorsichtig vor.
    »Ich hab auch auf nichts Lust«, stellte Anelma fest. Als Sampsa vom Briefkasten zurückkam, trat ihm aus der Sauna Sirkka Leppäkoskis »Bruder« entgegen, ein junger Mann nur mit Jeans bekleidet und mit einem Handtuch über der Schulter.
    »Morgen, Post?«
    »Nicht für dich.«
    Der Kerl hatte sich schon im Frühjahr auf Ronkaila eingenistet, angeblich um des brüderlichen Kontakts willen. Sampsa verabscheute den Mann, der nicht nur faul, sondern auch noch frech war. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren hatte er in seinem Leben noch nichts zustande gebracht und würde es sicher auch in Zukunft nicht tun. Er hieß Rami oder so ähnlich. Auf den Oberarmen und auf der Brust hatte er stümperhafte Tätowierungen: Kreuz, Anker, Frau im Bikini, Kompaßrose… Sampsa wurde schlecht beim Anblick dieses nackten Oberkörpers. Aber so ist das. Der Mensch hat das Bedürfnis, Monumente zu errichten, dachte Sampsa. Der wohlhabende Mann baut ein Haus, vielleicht auch einen Turm in Blockbauweise und beackert das Land. Der gewöhnliche Geselle läßt sich eben seinen Körper tätowieren, weil er sonst nichts hat. Das ist sein Denkmal, ein primitives Bild auf der eigenen Tapete.
    Sirkkas »Bruder« brachte Freunde mit nach Ronkaila, die wiederum ihre Bekannten mitbrachten, und so mußte Sampsa auf seinem Hof andauernd Gartenfeste ertragen. Das ging ins Geld, die Gewinne aus der Landwirtschaft reichten dafür nicht aus, und das Antiquitätengeschäft in Helsinki brachte auch nicht viel ein.
    In den Pausen zwischen den Festen fielen die Frauen in ihr träges Dahinvegetieren zurück. Sie konnten wochenlang in Morgenmantel und Pantoffeln vor sich hin leben. Mitunter standen sie gar nicht erst auf, und wenn es bewölkt war, gingen sie nicht aus dem Haus.
    Sirkkas »Bruder« verschwand nun im neuen Haus, wohin sich auch die Frauen mit ihren Kaffeetassen zurückgezogen hatten. Bald drang schallendes Gelächter aus der Küche, weil Rami mit seinem Handtuch nach den Frauen schlug. Er war fest davon überzeugt, amüsant zu sein. Die Frauen mußten sehr lachen.
    Sampsa war der Ansicht, es wäre nicht mehr als recht, wenn eines Tages der Blitz im Haus einschlüge, um diese widerlichen Personen zu Asche zu verkohlen. Ein Weilchen betete Sampsa zum Donnergott, damit dieser die Sache tatsächlich einmal in die Hand nahm, aber nichts geschah. Es war ein wolkenloser, windstiller Tag. Sampsa beschloß, am Nachmittag nach Helsinki zu fahren, wo der Antiquitätenladen für den Sommer in Ordnung gebracht werden mußte. Der Laden sollte für ein paar Wochen geschlossen werden, denn Frau Moisander, Sampsas Ladenhilfe, fuhr in Urlaub.
    Frau Moisander, eine ungestüme alleinerziehende Mutter, war ein sehr viel schwieriger Fall als Anelma und Sirkka zusammen. Auch sie war der Ansicht, in gewisser Weise mit Sampsa in einem eheähnlichen Verhältnis zu leben. Sampsa hätte wegen Bigamie angeklagt werden können, wären diese Verhältnisse ebenso offiziell gewesen wie eine Ehe, und wenn Sampsa selbst die beiden eigenartigen Verbindungen als wahr bestätigt hätte. Wie auch immer, Sampsa wurde für alles mögliche angeklagt. Er war das gewohnt. Manchmal kam es ihm dennoch so vor, als wolle Ukko Obergott ihn bestrafen, weil er Sampsa von so vielen Frauen schröpfen ließ.

2
    Der Weltnagel bog sich unter dem Gewicht der Götter, als sich die alten finnischen Gottheiten um Ukko Obergott, den höchsten unter ihnen, versammelten. Es war der 27. Juni, der Tag des Sampsa Pellervoinen, die Zeit der Kornreife.
    Ukko Obergott, der Donnergott, saß inmitten des großen Himmelsaals auf seinem Thron, über sich den Polarstern. Er trug Zobelfelle, eine Mitra, an der Irrlichter flackerten, und mit Austernperlen verzierte Schnabelstiefel, an deren Spitzen rote Edelsteine in der Größe der Zehen glänzten. An Ukkos Zepter in seiner linken Hand zischte ein nervöser Kugelblitz. In der rechten Hand hielt er eine Blitzwurzel, die von Zeit zu Zeit knisterte und zuckte und gelbroten, stechend riechenden Qualm ausspuckte. Als Thron diente Ukko eine bauschige Wolke,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher