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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes
Autoren: Arto Paasilinna
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daß alle Finnen ein Zeichen des falschen Glaubens auf ihr Grab bekamen: Es wurden Kreuze aufgestellt, Emblem jener weit verbreiteten fremden Religion. Und wenn man sich nicht für ein Kreuz entschied, schleppte man zumindest einen schweren Stein heran, in den dann ein Kreuz hineingeritzt wurde, damit es noch nach Jahrhunderten als Zeichen tiefen Glaubens sichtbar war.
    Ilmarinen sprach von der kolossalen Begeisterung der Finnen für den fremden Glauben, der ihnen erst vor sieben- oder achthundert Jahren fix und fertig gebracht und eingehämmert worden war. In so kurzer Zeit hatten die Finnen ihren einzig wahren Glauben verleugnet und sich den neuen angeeignet! Das Ganze ging sogar so weit, daß in Finnland spezielle Lieder, sogenannte Choräle, zu Ehren des falschen Glaubens gesungen wurden. Man betete zum falschen Gott und dessen Sohn Jesus, schrieb Bücher über dieses Thema und verfügte sogar über eigene Lehrstühle an finnischen Universitäten, wo über die fremde Religion und ihre Kuriositäten völlig ernsthaft und angeblich wissenschaftlich nachgedacht wurde.
    Ilmarinens Stimme bebte, als er einen Überblick über die Verehrung der alten Götter im heutigen Finnland gab.
    »Im ganzen Land kann man keinen einzigen Opferhain mehr finden, wo uns Ochsen oder wenigstens kleineres Getier dargebracht würden! Die Verstorbenen werden mit dem Kopf nach Osten begraben, was ein lasterhafter Brauch ist, denn jeder weiß doch, daß die einzig richtige Methode die ist, die Toten so mit Erde zu bedecken, daß die Köpfe auf den Himmelsnabel und den Polarstern zeigen. Man legt den Verstorbenen nicht mehr ihre Lieblingswerkzeuge in den Sarg und auch sonst keine brauchbaren Gegenstände. Statt dessen verbleiben die teuren Sachen in der Obhut des Nachlasses, damit die gierigen Angehörigen sie nach dem Begräbnis mit großem Gezänk untereinander verteilen können. Es gibt weit und breit keine abgeästeten Fichten mehr, die dem Andenken dienen. Im fernen Lappland sind noch ein paar Kultstätten übriggeblieben, aber auch die verfallen, und selbst an den besten Fischplätzen entstehen keine neuen. Eine tiefe Undankbarkeit hat sich der Finnen bemächtigt, ein irdisches Spektakel. Die wenigen Hexentrommeln und Schamanenwerkzeuge, die es im Lande noch gibt, liegen unbenutzt in Museen herum, um vom ganzen Volk nur noch begafft zu werden. Zum Ernteschluß wird kein Bier mehr zu Ehren Pekkas getrunken, zu allen anderen Zeiten dafür um so mehr, aber der eigentliche Grund für die Sauferei ist neuerdings nur noch der Genuß und der Wunsch, betrunken zu sein, und nicht die Ehrfurcht und Huldigung gegenüber Pelto-Pekka. «
    An dieser Stelle mischte sich Ägräs, der Gott der Fruchtbarkeit, in Ilmarinens Ausführungen ein.
    »Meines Wissens sind die Finnen allerdings sehr eifrig dabei, sich zu paaren. Schon in jungen Jahren fangen sie damit an, die Mädchen oft schon im Alter von dreizehn.« Ilmarinen entgegnete trocken, daß es sich hierbei allerdings keineswegs um den göttlichen Kult der Familienerweiterung handelte, sondern um eine tadelnswerte Lockerung der Sitten, ermöglicht durch den medizinischen Fortschritt. Täglich schluckten die Frauen irgendwelche Babyabwehrpillen, um nicht trächtig zu werden, und wenn es die Angst vor einer Schwangerschaft nicht mehr gab, konnte man hemmungslos der Wollust und der Ausschweifung frönen, solange es der Körper aushielt.
    Ihtiriekko – der Schutzgeist der getöteten Kinder – schrie an dieser Stelle herzzerreißend auf. Ihm wurde jedesmal schlecht, wenn von Babys die Rede war. Zwar war die Kindersterblichkeit in Finnland weitaus geringer als anderswo auf der Welt, aber das konnte bei Ihtiriekko keine große Begeisterung wecken, denn dafür wurden entsprechend weniger Kinder geboren.
    Ukko Obergott räusperte sich. Alle waren still, sogar Ihtiriekko.
    »Sampsas Pellervoinen! Lies uns aus dem Buch der Weltreligion vor, wie es den anderen Göttern ergeht!« befahl der Donnergott.
    Sampsa machte sich eifrig ans Werk. In seiner Obhut befanden sich die Statistiken, aus denen man sofort schließen konnte, daß die finnischen Götter auf der Erde nicht gerade prominent waren.
    »Auf dem Globus leben ungefähr drei Milliarden Menschen. Etwa fünf Millionen von ihnen sind Finnen…«
    Rauni, das Weib des Donnergottes, konnte sich nicht verkneifen einzuwerfen:
    »Und nicht einmal die glauben noch an uns!« Sampsa zählte auf:
    »Die Christen machen den größten Teil der Erdbewohner aus, fast eine
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