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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes
Autoren: Arto Paasilinna
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Götter an der Stelle mit dem Felsen im Wald zu besänftigen, und wenn sonst Bedarf war, richtete er seine Gebete an den Donnergott. Sampsa war der Meinung, daß es half. Ukko Obergott hatte ihn schon mehrfach aus heiklen Situationen gerettet. Auch wenn derselbe Gott seinen Vater getötet hatte, konnte er Ukko doch nicht hassen, denn Tavasti Ronkainen hatte über sein Schicksal selbst bestimmt, indem er seinem Gott drohte. Nach dem Begräbnis verkaufte Sampsa den Mähdrescher. Er wurde in Einzelteile zerlegt und weggeschafft. Im alten Teil von Ronkaila wurden neue Leitungen gelegt, und Tavastis angekohltes Bett wurde in den Schuppen getragen, wo Brennholz daraus gemacht wurde.
    Vor langer Zeit hatte Sampsa das Gymnasium besucht, Abitur gemacht und eine Zeitlang an der Universität Kunstgeschichte studiert. Derlei Bücherweisheiten zogen ihn an, aber irgendwie kam er doch nicht vorwärts, weil er sich mit der Landwirtschaft abgeben mußte und ihm auch schon die Gründung eines Antiquitätengeschäfts vorschwebte.
    Eines Sommers kam Anelma auf die Idee, ihre Freundin mitzubringen, eine gewisse Sirkka Leppäkoski, die angeblich eine echte Künstlerin war und Applikationen anfertigte. Sie war jünger als Sampsa, ein zartes, zerbrechliches Wesen, das in Sampsa ein bißchen Mitgefühl und schwache Sympathien weckte. Sirkka war fast in allem das genaue Gegenteil von Anelma: still, mit wässrigen Augen. Sie lief dicht an der Wand auf und ab und hielt immerfort etwas in Händen, mit dem sie spielen konnte, mal einen getrockneten Grashalm, mal eine Haarspange. Anelma hingegen besaß eine rauhe Stimme, sie war kräftig gebaut, groß wie ein Mann, und ihre Haut erinnerte an Leder. Oft dachte Sampsa, daß die Patienten bestimmt schreckliche Angst hatten, wenn sie in Anelmas Zahnarztstuhl Platz nehmen mußten. Anelma war faul und gleichgültig, dazu auf eine männliche Art grob. Wenn sie einen Patienten am Kopf packte, gab es kein Entrinnen mehr. »Mund auf! Das Blut dort in den Napf spucken!«
    Anelma brauchte Sirkka, und diese brauchte Anelma. Sirkka konnte sich mit ihren kläglichen Applikationen nicht über Wasser halten, und Anelma ging es nicht viel besser. Sampsa und sein Hof mußten für den Unterhalt der beiden aufkommen, und so waren sie wiederum abhängig von Sampsa. Anelma regelte die Angelegenheit, indem sie dafür sorgte, daß Sirkka Sampsas Frau wurde beziehungsweise seine Lebensgefährtin, denn der Bruder wollte partout nicht auf Befehl heiraten.
    Die stille Sirkka Leppäkoski wuselte von morgens bis abends um Sampsa herum. Oft wollte sie mit ihm einen Spaziergang in den Wald machen, über die Felder oder auf die verwilderte Schafweide. Sirkka glitt häufig auf einem Stein aus, dann durfte Sampsa ihr aufhelfen. Und wenn ein paar Regentropfen fielen, suchte Sirkka unter Sampsas Anorak Schutz und zitterte an seiner Brust wie ein schreckhafter Schmetterling. Ging Sirkka vor Sampsa die Treppe hinauf, kicherte sie und raffte ihren Rock bis über die Knie, warum auch immer, und sie trug keine Strümpfe, soweit man sehen konnte. An lauen Sommerabenden trank Sirkka auf der Veranda Tee und vergrub ihre Hand in Sampsas Hand.
    Auf eine merkwürdige Weise hing Sampsa an dieser zarten Frau, die rührende Applikationen nähte und mit der man sich über Kunstgeschichte unterhalten konnte.
    Schließlich schnappte die Falle zu. Sirkka war angeblich schwanger, eine Abtreibung mußte in die Wege geleitet werden und so weiter. Im Dorf wurde Sirkka als Sampsas Braut vorgestellt.
    »Du hast Sirkka in eine schreckliche Lage gebracht«, erklärte Anelma ihrem Bruder. »Sie muß hier wohnen bleiben, ganz egal, was du dazu sagst.«
    Vielleicht wurde bei Sirkka eine Abtreibung vorgenommen, vielleicht auch nicht. Ein Kind kam jedenfalls nicht zur Welt. Zu Beginn versuchte Sirkka, mit Sampsa im selben Bett zu schlafen. Das gefiel Anelma jedoch überhaupt nicht, und so zog Sampsa in den alten Teil hinüber, in das heruntergekommene Haupthaus, das sechzehn Zimmer hatte. In einem davon hatte der Donnergott einst Sampsas Vater umgebracht. Aber Sampsa fürchtete sich nicht vor dem Haus, er fürchte sich mehr vor den Frauen, die sich im neuen Gebäude herumtrieben. Auf dem Dachboden des alten Hauses knarrte es nachts, wenn die Wichtelmännchen auf der Jagd nach Elfen von einem Ende des Gebäudes zum anderen rannten. Im Haupthaus hatte Sampsa seine Ruhe vor den Frauen, denn sie trauten sich kaum hinein. Sie behaupteten, es spuke darin, bei Gewitter
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