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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens
Autoren: Laura Walden
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alles wunderschön, und bei dem Gedanken, zusammen mit Frederik bald ein aufregendes neues Leben zu beginnen, wurde ihr warm ums Herz, nur der Brief brannte ihr auf der Seele. Sie schwankte. Sollte sie ihn einfach vernichten und die Papierfetzen in alle Winde verstreuen, oder wäre es mutiger, ihn zu lesen?
      Vivian seufzte, doch dann entschied sie sich, ihn zu öffnen. Als sie seine Schrift sah, musste sie unwillkürlich lächeln. Was hatte Matui noch damals gedacht, als er Peters Brief gelesen hatte? Dass er eine gestochen scharfe Schrift besaß. Und daran hatte sich nichts geändert: ordentliche Buchstaben, akkurat aufgestellt wie Soldaten in Reih und Glied.
      Noch einmal zögerte Vivian, doch dann vertiefte sie sich in diesen Brief.
     
    Liebe Vivian,
      ich erwarte nicht, dass Du mein schroffes Verhalten bei Deiner Ankunft verstehen, geschweige denn meine einstige Flucht aus London jemals entschuldigen wirst. Im Grunde meines Herzens kann ich es mir auch nicht verzeihen. Wenn man sich zeitlebens an etwas klammert, ist man ein Getriebener, immer auf der Flucht vor der Wahrheit. Ich habe versucht, es zu verdrängen, und nun bin ich dankbar, dass alle Welt erfahren hat, dass ich eine Tochter habe. Ich wäre zu feige gewesen, es öffentlich zu machen. Und warum das Ganze? Weil mir einst jener Matui gesagt hat, dass das Blut der Maori in mir fließe. Das war für mich das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte. Es hieß bei uns zu Hause immer, dass die Maori mir meine Mutter genommen hätten. Und nun sollte in mir jenes Blut fließen ? Nein, ich wollte ihm seine Geschichte nicht glauben. Mein Kind, ich denke, Du kennst unsere Familiengeschichte inzwischen, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Matui damit nicht hinter dem Berg hält. Ich habe es krampfhaft für eine Lüge halten wollen, obwohl ich tief im Herzen längst wusste, dass es die Wahrheit war. Deshalb wollte ich auf keinen Fall eigene Kinder. Dann lernte ich Deine Mutter kennen und lieben. Es war die große Liebe, ob Du es mir glaubst oder nicht, und eines Nachts haben wir die Leidenschaft gelebt, als gäbe es kein Morgen. Ich war selten so glücklich, wollte Deine Mutter heiraten, ihr erklären, dass ich niemals Kinder haben wolle, da war sie bereits schwanger. Von dem Tag an habe ich gebangt und gebetet. Meine größte Hoffnung war, dass Du ein hellhäutiger, rötlich blond gelockter Engel sein würdest, wie es meine Mutter einst war. Denn ich habe mein Leben lang gelogen. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich mich nicht nach ihr gesehnt hätte, ihrem lachenden Gesicht, ihren sanften Händen und ihrer rauen, unverwechselbaren Stimme. Doch je mehr ich mich nach der fernen Mutter verzehrt habe, desto mehr habe ich sie auch gehasst, weil sie fort war. Mit diesem schwarzen Mann. Ach, Vivian, ich hätte weiter den Bischof ohne Tadel gespielt, wenn es nicht in der Zeitung gestanden hätte. Aber so ? Ich muss es Dir sagen, zumal Du auf wunderliche Weise auch noch zu meiner Schwiegertochter wirst. Ich wünsche Dir alles Glück dieser Welt. Entschuldige, ich schweife ab, um meine Schuld nicht beschreiben zu müssen, doch es bleibt mir nicht erspart. Ich machte Deiner Mutter einen Antrag, und sie war so glücklich, dass sie all meine Düsternis einfach so hinnahm, bis zu jenem Tag, an dem Du geboren wurdest und ich die Gewissheit hatte, dass in mir Maori-Blut fließt. Du warst der lebende Beweis. Kopflos bin ich davongerannt und habe mich in jener Nacht so furchtbar betrunken. Am nächsten Morgen fand ich mich auf einem Schiff nach Australien wieder. Und glaub mir, ich war zunächst erleichtert mit jeder Meile, die mich weiter fortbrachte. Erst als ich aus meinem Rausch erwachte, wurde mir klar, was ich meiner Mary damit angetan hatte, aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. Ich bildete mir ein, dass ich meinem Schicksal entkommen war, und versuchte fortan, mir mit Geld, das ich Euch schickte, mein Leben in Lüge zu erkaufen. In Sydney dann bot sich mir, wie ich dachte, die Gelegenheit, Buße für mein Vergehen zu tun, und ich nahm den kleinen Frederik an Sohnes statt an, der außer Prügeln von seinem Vater nicht viel Gutes in diesem Leben bekommen hatte. Ich heiratete Rosalind, deren Mann wegen Mordes hingerichtet worden war. Zurück in Neuseeland, gab ich dieses Kind als mein eigenes aus. Als ich dann den Brief Deiner Mutter bekam, habe ich ihn versteckt, aber Rosalind hat ihn gefunden. So blieb mir nichts anderes übrig, als Dich in
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