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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens
Autoren: Laura Walden
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Pakeha.«
      Peter stand entschlossen auf. »Ich glaube, wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
      Matui aber griff über den Tisch, packte ihn grob am Arm und zog ihn zurück auf seinen Platz.
      »Sie ist tot!«
      »Wer ist tot?«
      »Deine Mutter. Sie wurde vor ein paar Tagen von einem betrunkenen Pakeha niedergestochen.«
      Peter verzog keine Miene. »Was erwarten Sie von mir? Dass ich in Tränen ausbreche? Meine Mutter hat Vater und mich verlassen, um mit einem Maori in wilder Ehe zu leben. Das ist die Wahrheit. Und da erwarten Sie von mir, dass ich den trauernden Sohn spiele? Nein, für mich ist meine Mutter vor mehr als vierzehn Jahren gestorben.«
      »Du bist geschmacklos, Junge, und du gibst wie ein Papagei wieder, was man dir eingetrichtert hat. Deine Mutter hatte kein Verhältnis mit Tamati...«
      »Ach ja, und warum ist sie zu ihm gegangen?«
      »Weil dein Vater sie aus dem Haus geworfen hat.«
      »Und warum? Weil sie eine Hure war!«
      »Nein, das hat man dir eingeredet. Sie hat sich von Tamati Ngata mit einem Kuss verabschiedet, den du beobachtet hast. Und du hast es ausgeplaudert...«
      »Was reden Sie für einen Unsinn? Und hören Sie auf, mich so plump anzusprechen, und überhaupt, was maßen Sie sich eigentlich an? Woher wollen Sie wissen, was ich getan habe? Ich kann mich nicht mehr an meine Kindheit erinnern. Und auch nicht an meine Mutter, außer dass sie mir ständig rührselige Briefe geschrieben hat. Ich finde es eine Schande, was sie getan hat. Meinen Vater mit einem Maori zu betrügen.«
      »Glaubst du eigentlich, du bist was Besseres?«
      »Ich bin stolz, ein Pakeha zu sein, falls Sie das meinen.«
      »Dann hör mal gut zu, mein Junge. In dir fließt mehr Maori-Blut, als du glaubst.« Matui stockte. Eigentlich hatte er das nicht sagen wollen, aber die Arroganz dieses jungen Mannes reizte ihn über alle Maßen. Nun konnte und wollte er nicht mehr zurückrudern.
      »Sie sind ja komplett verrückt«, stieß Peter voller Abscheu hervor und wollte erneut flüchten, doch wieder hinderte Matui ihn am Gehen.
      »Deine Großmutter mütterlicherseits, ein unschuldiges Maori-Mädchen, wurde von deinem Großvater vergewaltigt. Er aber heiratete June Hobsen, eine reiche Pakeha, die zur Kinderlosigkeit verdammt war. Dein Urgroßvater stahl dem jungen Mädchen das Kind und täuschte seinem Sohn und seiner Schwiegertochter vor, das kleine Mädchen, das wie ein blonder Engel aussah, sei eine Waise. Denn dein Großvater war ahnungslos, dass er das Mädchen geschwängert hatte. Er glaubte sein ganzes Leben lang, seine Tochter sei das Kind fremder Leute. Und dieses kleine Mädchen wurde erwachsen, heiratete und bekam einen Sohn. Den kleinen Peter. Auch blond gelockt und hellhäutig. Aber mit ungewöhnlich braunen Augen. So versteckte sich das Maori-Blut, doch eines Tages wird es ausbrechen. Ich schwöre es dir.«
      »Lassen Sie mich sofort los, Sie Spinner!«, zischte Peter Matui zu. »Woher wollen Sie das alles überhaupt wissen?«
      »Weil ich der Bruder jenes Maori-Mädchens bin und damit Lilys Onkel und dein Großonkel.«
      Ohne Vorwarnung begann Peter zu würgen. Matui ließ ihn los, was der junge Mann dazu nutzte, die Kaschemme fluchtartig zu verlassen. Vor der Tür erbrach er sich in einem großen Schwall.
      Das ist nicht wahr, hämmerte es in seinem Kopf, das ist alles nicht wahr. Als er aus den Augenwinkeln sah, dass der alte Maori auf ihn zusteuerte, brüllte er: »Du mieser Lügner, du!«, bevor er losrannte. Er blieb erst keuchend stehen, als er auf dem rettenden Schiff angekommen war. Ihm war immer noch übel, und er schwor sich, niemals Kinder in diese Welt zu setzen. Allein bei der Vorstellung, sein Kind könne Maori-Züge haben, erzitterte er am ganzen Körper. Nein, er war ein reiner Pakeha, und das würde er auch auf immer und ewig bleiben. Und er nahm sich vor, nie wieder einen einzigen Gedanken an das blöde Geschwätz des verwirrten Alten zu verschwenden.
     
     

Whangarei, März 1920
     
    Vivian hatte sich leise fortgeschlichen. Matui, William und Fred saßen auf der Terrasse und unterhielten sich angeregt. Der alte Maori war völlig überdreht, seit er wusste, dass Uly Ngata am Sonntag geehrt werden sollte.
      Vivian lag der Brief ihres Vaters schwer in der Hand. Sie hatte ihn mitgenommen zu ihrem Aussichtsplatz. Es war ein warmer Tag. Und auch noch in der Dämmerung hatte sie von hier aus einen unvergleichlichen Blick bis zum Meer. Eigentlich war
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