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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens
Autoren: Laura Walden
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Augenblick trat hinter einem der Maori ein Mädchen hervor. Sie besaß große braune Augen, aus denen die nackte Angst sprach. Ihr Haar war lang, glatt und dunkel glänzend. Der Reverend schätzte sie auf acht oder neun Jahre, und er hatte noch niemals zuvor ein so hübsches Kind gesehen.
      »Und was habt ihr mit dem Mädchen vor?«, wollte er wissen, ohne den Blick von der kleinen Schönheit zu wenden, doch da wurde sie bereits von einem der Männer an der Hand gepackt und hinter die Gruppe zurückgestoßen, sodass er sie nicht mehr sehen konnte.
      »Wir werden sie mitnehmen und später mit einem der Unseren verheiraten. Wir haben zu wenig Frauen, seit sie uns überfallen haben«, erklärte der Häuptling ungerührt.
      »Aber was können wir dafür? Du hast unsere Eltern getötet. Du gehörst in den Fluss!«, schrie nun der vor Kälte am ganzen Körper bebende Junge voller Wut.
      »To wahe hakirara!«, brüllte der Häuptling zurück und machte seinen Männern ein Zeichen, den Jungen zu packen. Er hatte ihn soeben als Lügenmaul bezeichnet, und der gekränkte Maori schien nun kurzen Prozess mit dem verfeindeten Häuptlingssohn machen zu wollen.
      Der Reverend atmete ein paarmal tief durch. Was sollte er nur tun? Gegen ein Dutzend zu allem entschlossener Krieger konnte er nichts ausrichten. Und mit Worten war der Häuptling offenbar nicht zu besänftigen. Oder doch? Der Reverend musste es versuchen.
      »Gib ihn mir!«, verlangte er in scharfem Ton.
      Der Häuptling wandte sich an seine Männer und übersetzte ihnen, was der Pakeha gerade von sich gegeben hatte. Ein lautes Lachen war die Antwort. Nein, mit frommen Worten oder gar einem Appell an die christliche Nächstenliebe kam der Reverend hier nicht weiter.
      Er überlegte fieberhaft, womit er die Krieger sonst locken konnte. Da fiel ihm das Geld ein, das er sich soeben in der Missionsstation von Kerikeri hatte auszahlen lassen. Es war für die Bestellung neuer Bibeln aus London gedacht gewesen. Die müssen warten, sagte sich der Reverend. Er räusperte sich, bevor er dem kämpferischen Krieger ein Geschäft vorschlug.
      Der Häuptling stutzte, dann brach er in lautes Gelächter aus, sodass dabei seine weißen Zähne hervorblitzten.
      »Aber womit willst du handeln? Hast du Musketen?«
      Der Reverend warf einen abschätzigen Blick auf die Reihe der Krieger, die bis unter die Haarspitzen bewaffnet waren.
      »Wie ich sehe, habt ihr bereits ausreichende Waffengeschäfte getätigt.«
      Der Häuptling lachte immer noch und bemerkte spöttisch: »In Kororareka bekommst du alles, was dein Herz begehrt.«
      Der Reverend runzelte die Stirn. Ja, das Höllenloch des Pazifiks, wie dieser gottlose Ort inzwischen genannt wurde, war ihm seit Langem ein Dorn im Auge. Dort herrschte Gesetzlosigkeit. Hoffentlich hat der Häuptling bei seinem Aufenthalt in dem verfluchten Hafennest nicht mitbekommen, wie ehemals stolze Maori-Mädchen nachts zu den Schiffen rudern, um sich an die Seefahrer zu verkaufen, ging es dem Reverend durch den Kopf. Er war davon überzeugt, dass das den Zorn des fremden Häuptlings sicher noch verstärkt hätte, denn die Waffen nahmen sie gern, aber konnten sie auch mit den Schattenseiten der Käuflichkeit umgehen?
      Die Männer hatten den Jungen mittlerweile von allen Seiten umzingelt, bereit, ihn in den Fluss zu werfen, falls er nicht freiwillig ging-
      Wenn der Reverend ihn retten wollte, musste er endlich handeln, statt sich weiter tatenlos den Kopf zu zerbrechen. Vorsichtig zog er seine Börse aus der Umhängetasche und holte das Geld hervor. Und selbst wenn diese Kerle es in neue Musketen umsetzen würden, er musste es tun. Er konnte nicht zusehen, dass sie diesen Jungen wie eine Katze ersäuften.
      Zögernd reichte er dem Häuptling das ganze Geld für die neuen Bibeln. Es war nicht gerade wenig.
      »Gebt mir den Jungen, und es gehört euch«, erklärte er und versuchte kühl zu klingen. Wohl war ihm nicht, denn wie konnte er wissen, wie dieser Häuptling zu den Pakeha stand? Die Vertreter der örtlichen Stämme konnte der Reverend inzwischen einschätzen, aber dieser Stammesanführer, der offensichtlich aus dem Süden gekommen war, nur um sich an dem Stamm des Jungen zu rächen - wer weiß, wozu der imstande war? Was, wenn sie sich mein Geld nehmen und mich gleich mit ertränken?, schoss es dem Reverend durch den Kopf. Dann ist es Gottes Wille, versuchte er sich einzureden. Überzeugt davon war er allerdings nicht so
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