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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens
Autoren: Laura Walden
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wunderschön -so, wie Sie sind.«
      »Würden Sie das auch einer blassen weißen Frau, die Sie gerade einmal fünf Minuten kennen, so unverblümt sagen? Oder trauen Sie sich das nur bei einer Exotin wie mir?«, konterte Vivian und konnte ihm dennoch nicht wirklich böse sein.
      Fred lächelte sie verschmitzt an. »Nein ... doch ... nein ... also, das würde ich sicher auch bei einer blassen Dame tun, aber ich habe selten eine Frau getroffen, die mich auf den ersten Blick so beeindruckt wie Sie. Und das liegt weniger an Ihrem wunderschönen Teint als vielmehr an Ihrer erfrischend offenen Art.«
      Das verschlug Vivian die Sprache. Hoffentlich sieht er nicht, dass ich rot geworden bin, schoss es ihr durch den Kopf, während sie hastig auf den Beifahrersitz kletterte.
      »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten«, bemerkte er entschuldigend, als er die Tür hinter ihr schloss. Dann holte er ihr restliches Gepäck und fuhr mit ihr durch Auckland. Vivian kam aus dem Staunen nicht heraus. Es sah hier merkwürdig ländlich aus. In der Hauptstraße gab es zwar einige höhere Gebäude und sogar solche aus Stein, aber der Rest waren zweistöckige Holzhäuschen, die alle ein Vordach besaßen.
      »Auckland muss Ihnen doch, gemessen an London, wie ein Dorf Vorkommen«, bemerkte Fred.
      Konnte er Gedanken lesen? Ohne sich ihm zuzuwenden, nickte sie eifrig. Sie bogen in eine Straße ein, in der nur noch kleine Einzelhäuser aus Holz standen, bis sie in einen Teil der Stadt kamen, der zwar auch von Holzhäusern gesäumt war, die aber ungleich prächtiger wirkten. Es schien ihr, als hätten sich die Bewohner dieses Viertels gegenseitig mit viktorianischen Verzierungen übertrumpfen wollen.
      »Das ist Parnell«, erklärte ihr Fred. »Hier haben immer schon die reicheren Leute gewohnt. Und sehen Sie dort. Das ist Selwyn Court. Dort hat der erste Aucklander Bischof gelebt. Wir wohnen leider nicht ganz so hochherrschaftlich.«
      Wir? Vivians Neugier wuchs. Wohnte er mit ihrem Vater unter einem Dach? Und schon rutschte es ihr heraus: »Sind Sie auch Geistlicher?«
      Seine Antwort war ein kehliges Lachen. »Gott bewahre!«, rief er aus. »Ich bin Sklave beim New Zealand Herald.«
      Vivian wandte sich interessiert zu ihm um. »Sie sind Reporter?«
      Er nickte eifrig.
      »Das wäre ich auch geworden, wenn man mich in London gelassen und nicht gezwungen hätte, in diesem letzten Ende der Welt zu versauern«, stieß sie wütend hervor. Erst an Freds betroffenem Blick erkannte sie, dass sie ihn mit ihren groben Worten beleidigt haben musste. Das war nicht ihre Absicht gewesen.
      »Entschuldigen Sie, das ist mir nur so herausgerutscht. Ich wollte das nicht so sagen, ich ...«, stammelte sie.
      »Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie nicht freiwillig, geschweige denn gern nach Auckland zu Ihrem Vater gereist sind.«
      »Pah, Vater. Wenn ich das schon höre. Ich kenne den Mann doch gar nicht. Er hat meine Mutter mitsamt ihrem Neugeborenen, also mir, sitzen gelassen. Das ist alles, was ich von ihm weiß. Und das ist kein guter Grund, ihn aufzusuchen. Es war der Letzte Wille meiner Mutter, hierherzukommen. Und der ist mir heilig.« Letzteres sagte sie leise und traurig.
      »Es tut mir leid. Ich bin ungeschickt. Ich wusste doch nicht, wie Sie zu ihm stehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich überhaupt erst vor einigen Wochen von Ihrer Existenz erfahren und ...« Er unterbrach sich. »Wir sind da.« Er machte aber keine Anstalten auszusteigen, sondern musterte sie durchdringend. »Vivian, lassen Sie sich nicht von seiner manchmal recht groben Art abschrecken. Er ist im Grunde seines Herzens ein guter Mensch.«
      »Danke für den Ratschlag, aber das passt in das Bild, das ich von ihm habe. Ich hege keine Illusion, was den Charakter dieses Menschen angeht, und werde ohnehin nur so lange hierbleiben, bis ich volljährig bin. Dann wird das erste Schiff zurück nach England meines sein.«
      Fred sah sie beinahe mitleidig an. »Ich wollte nur vermeiden, dass Sie enttäuscht sind, wenn Sie ihn kennenlernen.«
      Vivian aber hörte ihm gar nicht mehr zu. Sie sprang gehetzt aus dem Wagen, denn nun wollte sie es nur noch hinter sich bringen. Arm ist er nicht, dachte sie, als sie staunend das hochherrschaftliche Haus betrachtete. Mit Bitterkeit dachte sie an die Verhältnisse zurück, in denen sie mit ihrer Mutter hatte leben müssen. Ein bescheidenes Zimmerchen für sie beide, mehr war ihnen nicht vergönnt gewesen, während dieser
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