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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher
Autoren: Howard Norman
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uns zu quälen mit vergangenen Ängsten, aber wir weisen dich zurück!‹ Hier und heute, an diesem heiligen Sonntag in der Harbor Methodist Church in Halifax, Nova Scotia, wollen wir uns daran erinnern, wie Kanada seine Freiheit verteidigt hat. Lasst mich nun aus der Bibel lesen …«
    Weißt du, Marlais, es ist mir immer schon schwergefallen, das richtige Wort in einer bestimmten Situation zu finden – dafür weiß ich wenigstens, was das richtige Wort gewesen wäre, wenn ich es höre. Während Reverend Lundrigan aus der Bibel las, verließ ich die Kirche und ging nach Hause. Ich holte meinen Webster heraus, den ich für einen Dollar in J.P. Mac-Phersons Pfandhaus gekauft hatte, und schlug das Wort Balsam nach. Als ich das Buch kaufte, sagte J.P.: »Das hier wurde nicht aus dem Hafen gefischt, aber manche Seiten sind zerrissen, manche fehlen überhaupt. Doch keine Sorge, es sind immer noch genug Wörter drin, damit ein durchschnittlicher Müllfischer
wie Sie sein Englisch aufbessern kann.« Sie meinte es nett.
    Und da sitze ich nun mit meinem Brief an dich, Marlais, am 21. April um 7:35 Uhr. Meine Nachbarn in dem Haus, in dem früher Reese Mac Isaac wohnte – Marshall und Caryn Phillips – sind schon zur Arbeit gefahren. Sie sind beide Ärzte. Durch mein Küchenfenster kann ich ihre siebzehnjährige Tochter Elizabeth – Lizzy – sehen, die allein am Küchentisch beim Frühstück sitzt. Sie nimmt immer den Schulbus um 7:40 Uhr an der Ecke Robie und Welsford Street. Und so wie jeden Morgen in den vergangenen zwei Monaten spielt sie Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band . Lizzy hat ihren Plattenspieler auf volle Lautstärke gestellt – I read the news today, oh boy – , und ich öffne mein Küchenfenster einen Spalt, um besser hören zu können. Ich mag die Beatles sehr und hätte mir gewünscht, dass Marshall und Caryn heute früher als sonst zur Arbeit gefahren wären, damit Lizzy mehr von Sgt. Pepper spielen könnte. Wenn sie zum Bus geht, werde ich die Cellosuiten von Bach auflegen, die ich im Ballade & Fugue gekauft habe. Ich nehme mir heute frei, ohne bestimmten Grund eigentlich. Da ich in all den Jahren nie die zwei Wochen Urlaub genommen habe, die mir jedes Jahr zustehen, habe ich Hunderte von Urlaubstagen gesammelt.
    Gestern ist ein Brief von Cornelia Tell mit der Post gekommen. Ich habe ihn hier vor mir liegen. Ich werde ihn für dich abschreiben.
    Lieber Wyatt,
    ich habe das bisher nicht erwähnt, weil ich nicht wusste, wie sich die Dinge entwickeln würden. Hier im Ort wurde schon seit einiger Zeit eine neue Bibliothekarin gesucht.
Zuerst ist Mrs. Oleander gestorben, und ihre Nachfolgerin Miss Claire heiratete und ging nach London. Wir hatten zwar fähige Aushilfskräfte, aber was wir hier brauchen, ist eine ausgebildete Bibliothekarin. Es war meine Idee, muss ich zugeben, Marlais Hillyer für den Posten in Betracht zu ziehen. Schließlich weiß ich, dass sie den Beruf gelernt hat, außerdem hatte sie mir geschrieben, sie habe noch nicht viel Glück mit einer einträglichen Anstellung in Dänemark gehabt. Dazu kommt, dass sie ein Haus hier im Ort besitzt. Denn das Haus gehört ja jetzt ihr.
    Und jetzt endlich freue ich mich, dir mitteilen zu können, dass Marlais unsere neue Bibliothekarin wird! Selbst nach den hohen Maßstäben, die Mrs. Oleander und Mrs. Claire gesetzt haben, ist man sehr zuversichtlich, dass diese Wahl die richtige ist. Ich weiß das, weil sich die Leute hier in der Bäckerei sehr positiv geäußert haben. Als Marlais Chester und Delia Waterford bat, aus dem Haus von Donald und Constance und Tilda auszuziehen, hatten sie vollstes Verständnis – sie sind bereits nach Advocate Harbor übergesiedelt. Das ging also alles glatt. Marlais kommt morgen hier an.
    Ich werde bald fünfundsiebzig. Aber wenn du mich ansiehst, würdest du glauben, dass ich keinen Tag älter bin als siebzig. Ich schätze, ich werde mir meine Geburtstagstorte selbst backen müssen. Meine Finger fühlen sich immer noch jung, wenn ich backe, sonst eher selten. Und natürlich freut es mich, dass ich meine Bäckerei weiterhin jeden Morgen aufschließen kann und dass ich immer noch die Treppe hinauf in mein Zimmer schaffe.
    Wyatt, mein Lieber, ich bete, dass du bei guter Gesundheit bist und so guter Dinge, wie man es nur hoffen kann.
Nachdem du diesen Brief gelesen hast, fände ich einen Besuch von dir angebracht.
    Vergiss nicht, hin und wieder gibt einem das Leben die Möglichkeit, die Dinge zum Besseren zu
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