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Der schlafende Gott

Der schlafende Gott

Titel: Der schlafende Gott
Autoren: Jesco von Puttkamer
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Antigravitation auszuarbeiten.
    Die Forschungen nahmen weitaus mehr Zeit in Anspruch, als ursprünglich angenommen worden war. Die Radioastronomie lieferte neue Ansätze, vor allem durch die Entdeckung gewaltiger kosmologischer Phänomene im Universum, die man Quasare, Radiogalaxien und Schwarze Löcher nannte. Die Erkenntnisbarriere bestand zunächst darin, daß man nicht einsah, daß die Brücke zum Mikrokosmos der Quantenphysik über den Makrokosmos dieser Supermassen führte. Erst im 26. Jahrhundert gelang es den Feldtheoretikern, mit Hilfe der King-Zwillinge, die träge Masse eines Körpers fast völlig zu neutralisieren und auszuschalten. Die neue Technologie der Trägheitskompensatoren, heute an Bord jedes Raumschiffs zu Hause, war damit geboren.
    Und dann dauerte es nicht mehr lange, bis der erste Null-Inertia-Antrieb auf den Reißbrettern der Konstrukteure entstand. Ein Körper, der keine Trägheitsmasse mehr besaß – scheinbar, jedenfalls –, konnte innerhalb einer Millionstelsekunde vom Ruhezustand auf eine Geschwindigkeit beschleunigt werden, die unendlich höher war, als die des Lichtes. Bewerkstelligt wurde dies durch das quantenchromodynamische Abstimmfeld, das auf die Quantumfluktuationen des Raumes einwirkte und ihre statistische Verteilung in Resonanz brachte. In Anlehnung an das Prinzip des Laser oder Maser, die mit elektromagnetischen Wellen arbeiteten, hatte man dem neuen Verfahren den Namen Graser gegeben, für gravitation amplification by stimulated emission of radiation. Die Strahlung war das Resonanzfeld aus Schwerkraftwellen, und der Effekt der Amplifikation war ein örtliches Aufsteilen einer Welle der Raumstruktur, eine lokale »Raumkrümmung«, vor der das Schiff wie ein Surfbrett dahinglitt.
    Matchett blickte auf die Vorwärtsbildschirme. Es war so einfach. Der Weltraum war reine Geometrie. Die Geometrie bestimmte das Verhalten der Materie, und Materie bestimmte die Geometrie. Der Raum befahl der bewegten Masse, wie sie sich zu bewegen hatte, und die Masse formte den Raum. Was in Erscheinung trat, hatte den Anschein einer »Kraft«, die der Mensch »Gravitation« genannt hatte. Entsprechend der sich ewig und dynamisch verändernden Geometrie differierten die Gravitationspotentiale im Kosmos. Lokale Ansammlungen elektromagnetischer Strahlung oder Gravitationsstrahlung (oder beider), die durch die eigene Gravitationskraft zusammengehalten wurden, kannte man als Geonen. Ein Geon bewegte sich als Ganzes. Es übte Gravitationskräfte auf andere Massen aus. Aber es bestand aus leerem gekrümmten Raum und weiter nichts.
    Das Schiff benützte die Gradienten der Raumkrümmung und bezog seine Fortbewegung daraus: ein »Partikel« aus purer Gravitationsenergie, das Masse besaß, aber keine Trägheit, das auf andere Gravitationsfelder reagierte, aber auch selber auf sie durch das Graser-Feld Kraft ausübte und die Geometrie des Raums »verschob«. Der Mensch hatte endlich den Antriebsmotor gefunden, der den unermeßlichen Weiten des Universums gewachsen war.
    So raste das Expeditionsschiff TELLUS nun mit einer Geschwindigkeit, die bereits hunderttausendmal die des Lichtes übertraf und noch stetig wuchs, durch den Raum. Da sich das Schiff in seiner eigenen »Weltblase« fast völlig im außerkosmischen Superraum befand und seine gigantischen Sichtplatten nur »Abbilder« des Weltraums zeigten, wobei die Computer die lichtverzerrenden Effekte der hohen Geschwindigkeit automatisch kompensierten, blieb die Navigation auf Sicht in diesen Größenordnungen noch unbehindert. Obwohl eine unendlich hohe Beschleunigung theoretisch natürlich möglich war, legte die Energiequelle des Schiffs – Materie/Antimaterie-Annihilierung – einen Riegel vor, so unvorstellbar groß sie auch war. Matchett war sich jedoch bewußt, daß die erzielte Beschleunigung alles übertraf, was im bisherigen physikalischen Weltbild jemals Platz gehabt hatte.
    Er fühlte, daß ihm jemand von hinten auf die Schulter klopfte. Als er sich umwandte, erkannte er Ronald Sears, einen Wissenschaftler aus der Unterabteilung Zoologie, die der Abteilung Biologie unterstand.
    »Hallo, Doug«, grinste er und blinzelte vertraulich. »Stimmt es, daß Sie privatim einige Mädchen in der abgeriegelten Sektion im Kielraum gefangenhalten? Der alte Parkinson behauptet es steif und fest.«
    Matchett, der sofort erkannte, daß die Worte nur als Scherz gedacht waren, bemühte sich, ein ernstes Gesicht zur Schau zu tragen. Eine blonde Frau, die drei
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