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Der schlafende Gott

Der schlafende Gott

Titel: Der schlafende Gott
Autoren: Jesco von Puttkamer
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Sitze weiter entfernt saß, verzog angewidert das Gesicht, und Matchett warf ihr aus den Augenwinkeln einen um Verzeihung bittenden Blick zu. Es war Susan Stanford, eine Sonnenphysikerin. Ringsum lachten Männer, denen die Heimlichtuerei um die verschlossene Sektion ebenfalls schon aufgefallen sein mußte.
    »Tja, Ron, so ganz im Unrecht ist Parkinson nicht«, meinte Matchett.
    Ein anderer Biologe rief lachend dazwischen: »Handelt es sich etwa um ein Experiment in der Vererbungsforschung?«
    Eine plötzliche Bewegungswelle, die über die Köpfe der sitzenden Männer glitt, veranlaßte Matchett, wieder nach vorne zu blicken. Tiefes Schweigen breitete sich über dem Auditorium aus.
    Direktor Carlson betrat die Kommandobrücke.
    Während er die langen, breiten Stufen emporschritt, stellte Matchett wieder einmal anerkennend fest, mit welcher Geschmeidigkeit und Leichtigkeit der Direktor seinen massigen, breitschultrigen Körper bewegte.
    Matchett schätzte Carlson nicht nur als fähigen Mathematiker ein, sondern auch als geschickten Administrator, dem es wohl gelingen sollte, die Schar der Wissenschaftler aus allen Bereichen zu einer angenähert geschlossenen Einheit zu koordinieren, auch wenn es sich seit den ersten menschlichen Forschungsexpeditionen als unmöglich erwiesen hatte, die eher auf Individualismus beharrenden Wissenschaftler zu dem Grad von Teamarbeit zu bewegen, wie er für Ingenieure traditionell war.
    Erst jetzt bemerkte Matchett, daß der backenbärtige Direktor von Oberstleutnant Henderson begleitet wurde. Die hochgewachsene dunkelhäutige Frau im Kommandantenrang befand sich unzweifelhaft in offizieller Vertretung des Kapitäns hier, der damit symbolisieren wollte, daß Carlson mit seinem Einverständnis und seiner Unterstützung handelte. Demnach hatte Tchekhov tatsächlich inzwischen die versiegelten Orders geöffnet.
    Als Carlson die oberste Stufe erreichte, auf der sich das Podest mit dem Thronsessel des Piloten erhob, blieb er stehen und wandte sich dem Auditorium zu. Henderson verharrte auf der nächstunteren Stufe.
    »Meine Damen und Herren«, begann Carlson ohne weitere Umschweife, »ich eröffne hiermit die erste Generalversammlung an Bord des Expeditionsschiffs TELLUS. Ich bin von Kapitän Tchekhov ermächtigt worden. Sie über unser Ziel und über die uns bevorstehenden Aufgaben zu unterrichten.«
    Er legte eine kurze Kunstpause ein und blickte über die Reihen der Zuhörer hinweg. Dann zog der Anflug eines leichten Lächelns über sein hartgeschnittenes Gesicht, und er fuhr fort:
    »Es ist mir indessen nicht entgangen, meine Damen und Herren, daß man in den Rängen der Mannschaften und in den wissenschaftlichen Abteilungen bereits besser über unser Ziel informiert gewesen zu sein scheint, als die Schiffsleitung, die vor wenigen Minuten, nach einer Zurücklegung von 25 000 Parsek, auftragsgemäß die versiegelten Orders des Schiffes geöffnet hat.«
    Vereinzeltes Lachen klang in den Reihen auf.
    Direktor Carlson fuhr ruhig fort: »Ich kann Ihnen also nun bestätigen, meine Herrschaften, daß das Ziel unserer Reise jener schwache Nebelfetzen dort auf den Sichtschirmen ist.«
    Überall wandten sich Köpfe den Bildschirmen zu.
    »Es ist der sogenannte Andromeda-Nebel M-31, NGC 224, dessen Abstand von der Erde mit Hilfe der Cepheiden-Methode auf rund 690 000 Parsek bestimmt wurde, und der an Größe nahezu unserer eigenen Galaxis gleichkommt. Es wird während der nächsten Jahre unsere Aufgabe sein, eine möglichst große Anzahl von Sonnensystemen dieses Spiralnebels zu erforschen, um uns mit Hilfe von statistischen Methoden ein Bild der Gesamtgalaxis zu verschaffen. Man schätzt die Anzahl der Sterne in M-31 auf etwa 370 Milliarden, meine Damen und Herren, und Sie sehen, daß uns eine Menge Arbeit bevorsteht, wenn wir einen statistisch verwendbaren Durchschnitt erhalten wollen.«
    Der Direktor machte erneut eine Pause und blickte jetzt nachdenklich auf seine Zuhörer. Seine Stimme klang tief und dröhnend, als er fortfuhr:
    »Etwa achtzig Prozent von Ihnen haben bereits an ähnlichen Expeditionen teilgenommen, die in früheren Jahrhunderten gestartet worden waren und ausnahmslos in die weitere Umgebung des irdischen Sonnensystems vordrangen. Alle diese Expeditionen besaßen zwar den bislang üblichen Hyperantrieb, der das Problem der Massenträgheit damit umging, daß er das Schiff während seiner Funktion in einen außerkosmischen Pseudoraum warf. Bei der Rückkehr in den normalen Raum
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