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Der schlafende Gott

Der schlafende Gott

Titel: Der schlafende Gott
Autoren: Jesco von Puttkamer
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1.
     
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, aber die Schweißtropfen dort waren nur imaginär. Er sog die Lungen prallvoll, verhielt die Luft für einen Moment und atmete dann langsam aus, im Bemühen, seinen Alpha-Rhythmus unter Kontrolle zu bekommen.
    Dabei bestand eigentlich kein Grund zur Aufregung.
    Douglas Matchett blickte zum wiederholten Mal über die gestaffelten Anzeigeskalen, die ihn über den Zustand der Tankanlagen informierten. Nur widerstrebend verließ ihn das beklemmende Gefühl, einer drohenden Katastrophe.
    Blödsinn, dachte er ärgerlich. Alles war in bester Ordnung. Der Tankmechanismus hatte unter dem kürzlich erfolgten Start nicht im geringsten gelitten.
    Zwar befand sich das Schiff noch immer in seiner Beschleunigungsphase, doch besaß es dank der King-Zwillinge den neuen Null-Inertia-Antrieb, der Geschwindigkeiten gestattete, die weit über der des Lichtes lagen, und der nicht nur die Schiffszelle selbst beschleunigte oder abbremste, sondern auch ihren gesamten Inhalt, so daß die Insassen von den üblichen unangenehmen Begleiterscheinungen einer Geschwindigkeitsänderung verschont bleiben.
    Matchett strich sich eine widerspenstige schwarze Haarlocke aus der Stirn und erhob sich. Er wandte den Blick von den Instrumenten ab und sah nachdenklich auf den Wandbildschirm seines Büros, der den vor dem Schiffsbug liegenden Raumsektor zeigte. Das Expeditionsschiff TELLUS hatte das irdische Sonnensystem bereits weit hinter sich gelassen und raste nun mit stetig steigender Geschwindigkeit durch den interstellaren Raum der Milchstraße. Wie ferne Stecknadelköpfe von unendlicher Brillanz leuchteten die Sterne, aber sie waren bereits weniger dicht gesät, als Stunden zuvor. Die TELLUS näherte sich zweifellos bereits den Randgebieten der scheibenförmigen Galaxis.
    So ungeheuer groß das Expeditionsschiff im irdischen Sinn auch sein mochte, so winzig und unbedeutend erschien es Matchett jetzt angesichts der buchstäblich unendlichen Weite und Tiefe des Raums. Wieder einmal hatte der Mensch in dem ihm angeborenen frevelhaften Übermut gewagt, sich mit den gigantischen Urkräften und Distanzen der Natur, des Universums, zu messen – diesmal allerdings noch in weitaus größerem Umfang, als in den vergangenen Jahrhunderten. Die Expedition an Bord der TELLUS beabsichtigte weder die Planeten des Sonnensystems zu erforschen, noch die der Milchstraße. Diese Unternehmungen gehörten einem vergangenen Jahrhundert an.
    Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sollte eine andere Galaxis erschlossen werden.
    Die TELLUS, die mit weit vorausreichenden Energieschutzschirmen und vieltausendfacher Lichtgeschwindigkeit durch das All raste, schickte sich an, den unermeßlichen Abgrund zu überspringen, der zwischen der Heimatgalaxis und dem nächsten Milchstraßennebel gähnte. Matchett konnte seine Erregung nicht verleugnen, doch sein Lächeln war freudlos. Man hätte das Superraumschiff vielleicht besser HYBRIS taufen sollen, statt TELLUS, dachte er. Der Name hätte den Umständen eher entsprochen.
    An Bord des Schiffes befanden sich etwas über tausend Menschen, die in jahrelanger, mühsamer Arbeit aus der Elite der Menschheit ausgewählt worden waren. Rund fünfhundert von ihnen waren Wissenschaftler, die alle bisher anerkannten Wissensgebiete vertraten. Etwa dreihundert Bordschutzsoldaten mit ihren Waffen und Kampfmaschinen verkörperten die Verteidigungsstreitmacht der Expedition für den Fall einer kriegerischen Begegnung. Sie unterstanden dem Oberbefehl von Oberst Dragomir Tchekhov, der gleichzeitig den Rang des Schiffskapitäns bekleidete. Sein technisches Personal, dem der eigentliche tägliche Betrieb und Unterhalt des Schiffes oblag, zählte rund hundertfünfzig Mannschaften, und den Rest bildete die Verwaltungsabteilung mit ihren Schreibstubenmaaten, Büroangestellten, Druckern, Postangestellten, Bibliotheksverwaltern, Archivaren und Computergasten.
    Es war zweifellos das gigantischste Unterfangen, das die Menschheit jemals gewagt hatte.
    Und den wichtigsten Posten an Bord bekleidete weder der Captain noch der Direktor des wissenschaftlichen Teams. Jedem von ihnen unterstanden zwar Hunderte von Männern und Frauen, aber sie waren letzten Endes ersetzlich.
    Douglas Matchett war der wichtigste Mann an Bord. Er trug die Verantwortung für Chester Clayton King. Und es gab niemanden in der TELLUS, der ihn hätte ersetzen können, denn selbst den fünf Technikern seiner Spezialabteilung
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