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0677 - Yaga, die Hexe

0677 - Yaga, die Hexe

Titel: 0677 - Yaga, die Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Sie lehnte sich an einen der Bäume und versuchte sich zu erinnern, um aus dem Erinnern hei aus begreifen zu können, was mit ihr geschehen war.
    Sie hatte Merlin erpreßt!
    Sie hatte das Leben ihres Gegners Zamorra gegen Merlins Erlaubnis eingetauscht, dessen Zauberwald Broceliande betreten zu dürfen. Denn dort sollte sich ein Hinweis auf Yagas verschollene Tochter befinden.
    Nur sehr unwillig hatte Merlin ihr diese Erlaubnis erteilt, und der Zauberwald selbst hatte sich gegen Yaga gewehrt, aber sie hatte ihm und seinen wundersamen Kräften und Bewohnern trotzen können. Sie hatte den Jungbrunnen leergetrunken, und damit war Merlin der Weg nach Avalon versperrt. Sie hatte…
    Sie schüttelte den Kopf.
    Der Zauberwald war vernichtet. War vergangen in einem grausigen Feuerorkan, in einer Hölle, die nur Asche zurückließ. Und ein Mondstrahl hatte Yaga getroffen… [1]
    Jetzt befand sie sich in einer anderen Zeit. Die gewaltige Magie des Mondes hatte sie hierher gebracht. Yaga, jung geworden von Gestalt und Angesicht durch ihr Bad im Brunnen von Broceliande, aber alt von Geist und Gram, hielt den Mondstein in den Händen, das versteinerte Licht jenes mächtigen Zaubers.
    »Die Puppenspielerin«, murmelte sie.
    Was bedeutete das?
    Den nächsten Hinweis auf ihre Tochter, die sie wiederfinden wollte, wiederfinden mußte? Für die sie alles zu opfern bereit war, was sie besaß, sogar ihre Existenz?
    Warum verschwieg Merlin ihr so viel? Warum kämpfte er gegen sie?
    Warum wollte er nicht, daß Yaga ihre Tochter wiederfand?
    »Merlin, Merlin«, flüsterte sie. »Und dir habe auch ich schon so viel genommen, aber immer noch nicht genug.«
    Es war kein Zufall, daß sie hier gelandet war, in einer Zeit, die sie nicht kannte, von der sie nichts wußte. Aber sie würde erfahren, wann sie jetzt war.
    Wenn sie die ›Puppenspielerin‹ fand, von der Merlin gesprochen zu haben schien.
    Und dann würde sie auch noch mehr erfahren.
    Yaga setzte sich in Bewegung. Den Mondstein, der ihr in ihre Gegenwart zurückhelfen würde, steckte sie ein.
    Aber sie ahnte nicht, daß ihre Tasche ein Loch hatte.
    Sie bekam nicht mit, daß das magische Objekt, das sie sicher verwahrt glaubte, ihr entfiel und auf dem Waldboden zurückblieb.
    ***
    Es konnte kein Zufall sein, daß sie ausgerechnet in dieser ihr noch nicht bekannten Zeit gelandet war. Der Begriff ›Puppenspielerin‹ ließ sie nicht mehr los, der von Merlin - sicher eher ungewollt - zu ihr herübergeweht war, aber in einem kleinen Dorf, das sie nach dem Verlassen des Waldes erreichte, erfuhr sie nichts über eine solche Person, doch munkelten die Leute, daß es in der Burg des Herzogs nicht immer mit rechten Dingen zugehe. Da war sie sicher, in jener Burg den nächsten Hinweis auf ihre verschollene Tochter zu finden. Warum sonst sollte es sie ausgerechnet hierher verschlagen haben?
    Eine düstere Stimmung lag über dem kleinen Dorf. Es roch förmlich nach Unterdrückung und Knechtschaft. Aber Yaga kannte das. Im alten Rußland, ihrem Land, in dem sie so lange gelebt hatte und alt geworden war, war es doch nie anders gewesen. Die hohen Herrschaften übten Macht aus, und ihre Schergen halfen ihnen dabei, das einfache Volk zu knechten und zu tyrannisieren, weil sie selbst einen Teil der Macht ihrer Herren mit ausüben durften, weil sie davon profitierten.
    Dabei lag nur ein kleiner Schritt zwischen ihnen und jenen, die sie unterdrückten.
    Von Anfang an war Yaga klar, daß sie in die Nähe des Herzogs mußte. Vielleicht wußte er etwas über die »Puppenspielerin«. Aber wer war sie denn, daß sie gleich zur Burg gehen konnte, um mit den Herrschaften zu reden?
    Sie war eine Hexe. Sie könnte es sich ermöglichen.
    Aber sie begriff auch, daß es in diesem Teil der Welt nicht gut war, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Nicht in dieser Zeit, in welche es sie verschlagen hatte. Das hier war nicht ihr Rußland, das hier war das Land der Franken unter dem Joch derer, die an einen einzigen Gott glauben wollten und in dessen stets mißbrauchtem Namen jeden Andersdenkenden umbrachten. Erst recht jeden, der magische Kräfte zeigte.
    Hexen und Ketzer… die Scheiterhaufen loderten schnell und hell.
    Yaga wollte keinen Fehler begehen. Sie befand sich in einer Zeit, in welcher es leicht war, sie zu töten. Aber wenn sie andere tötete, mochte sich damit vielleicht ihre Gegenwart ändern. Selbst Kleinigkeiten konnten wichtig sein. Vielleicht würde sie ihre eigene Existenz in Frage stellen, wenn es durch ihre
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