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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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seine Unbeflecktheit nicht übel nahm. Im Gegensatz zu seinem Bruder, von dem es hieß, er könne mit seinem Dolch auf zehn Schritte einen Mann an die Wand nageln, bevorzugte Klaas die Armbrust. Zwei ziemlich kleine, aber durchschlagskräftige Exemplare hielt er in ledernen Futteralen bereit, die ähnlich wie Satteltaschen gearbeitet waren und zu beiden Seiten am Hals seines Pferdes hingen.
    Auch wenn die Narbe die meiste Zeit durch ein Barett oder einen Helm verdeckt war, gab es noch ein weiteres unverkennbares, für die Allgemeinheit jedoch sehr viel unangenehmeres Unterscheidungsmerkmal. Klaas ernährte sich überwiegend von einer selbst verfertigten Mahlzeit, deren Hauptbestandteil in Wasser gelöster Trockenfisch war. Ich glaube, den spezifischen Geruch, den er nach jahrelanger Eigenbeköstigung verströmte, brauche ich Euch hier nicht näher zu schildern. Seid allemal versichert, dass ich auf unseren gemeinsamen Reisen immer bestrebt war, nicht in seinem Windschatten zu reiten.
    Beide Brüder waren grobschlächtige Kerle und wirkten auf jeden, der ihnen begegnete, als würden sie eher die gewünschten Antworten aus einem Gegner herausprügeln als durch List hervorlocken. Dieses Bild täuschte jedoch umfassend. Sie waren schlau, von rascher Auffassungsgabe und hatten das Gedächtnis eines Geschichtsschreibers. Dass sie obendrein auch alle Eigenschaften besaßen, die man ihnen nach ihrem Äußeren sowieso zutraute, machten sie nur zu um so schätzenswerteren Weggefährten.
    »Muss ich dich quer über das Pferd legen, oder kannst du dich selber im Sattel halten? – Der Bischof will dich sehen, und zwar sofort!«
    Ich machte eine Geste, die alles Mögliche bedeuten, ihn jedenfalls zum Warten veranlassen sollte, und drehte mich ungeschickterweise so schnell vom Fenster weg, dass mir gleich von neuem schwindelig wurde. Bevor ich meinen Kopf in die Schüssel mit dem Waschwasser tauchen konnte, das noch vom gestrigen Abend dort stand, musste ich mich daher erst wieder kurz auf das Bett setzen, um mich zu sammeln. Es musste wirklich wichtig sein, wenn man mich hier aus meinem Refugium herausholte, das nur den wenigsten Menschen als mein Unterschlupf bekannt war. Es war mir gelungen, mich nördlich von Münster in einem Gutshof einzuquartieren, den ein alter Tuchhändler, der nun endlich seinen ergaunerten Reichtum genießen wollte, einem verarmten Kleinadeligen abgeluchst hatte. Der alte Knabe, Friedbert Bösmüller geheißen, war froh, mich gegen geringes Entgelt aufnehmen zu dürfen, als er davon hörte, dass ich in der geheimen fürstbischöflichen Hierarchie nicht ohne Bedeutung war. Insbesondere gefiel es ihm, nun »einen Mann des Schwertes«, wie er es auszudrücken beliebte, unter seinem Dach zu wissen, versprach er sich davon doch einen verstärkten Schutz seiner Schätze. Dass ich indessen in vielen Nächten ein ganz anderes Schwert benutzte, um ihn seines größten Schatzes zu berauben, vermutete er vielleicht, tat immerhin aber stets so, als würde er nichts bemerken.
    Als nämlich vor drei Jahren ein Tross von Vagabunden mit seiner Bühne und allerlei Gaukelzeug, Instrumenten und einem riesigen Bären hier durchzog und gegen ein geschütztes Nachtlager für ihn ein exklusives Gastspiel gab, hatte er sich augenblicklich in das wahre Wunder vernarrt, das diese Truppe zu bieten hatte: Zenobia, eine Schlangentänzerin aus den heißen Wüsteneien Afrikas. Diese glutäugige, schwarzhaarige Schönheit mit nur unwesentlich hellerer Haut, die sich geschmeidiger bewegte als alle ihre Schlangen, kostete ihn sogleich einiges an Verstand und nur wenig später auch einiges an Vermögen, das jedoch nicht an sie, sondern in die Tasche des Anführers der Gaukler floss. So kam es, dass Zenobia zwei Tage nach der Abreise der Truppe aus einem schlafgleichen Zustand erwachte, in den der Anführer sie mit einem harmlosen, aber wirkungsvollen Trunk versetzt hatte. Ohne ihre Freunde und sonstigen Schlangen allein in einem fremden Land und nur mit dem versehen, was sie auf dem Leibe trug, hatte sie gar keine andere Möglichkeit gehabt als zu bleiben.
    Ihr, meine mitleidigen Freunde, die Ihr argwöhnen möchtet, dass einer strahlenden Jungfrau nun allzu hart mitgespielt werden könnte, fürchtet nichts! Denn war auch unser dem Frohsinn des Lebens seit jeher nachjagender Friedbert durchaus noch in der Lage, das schöne Wild zu erkennen, so war es ihm nach all den Ausschweifungen seiner Jugend doch nicht mehr vergönnt, es auch zu
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