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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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sowie Melius Herte mit verschiedenen Amtsleuten das Blutgerüst, worauf die Liste der Verbrechen noch einmal verlesen wurde. Meine Taten fanden darin keine Erwähnung, doch war ich weit davon entfernt, mich hierdurch erleichtert zu fühlen.
    Der Einzige, der sich dazu äußerte, war Jan van Leyden, der auch hierin Standhaftigkeit demonstrierte: »Gegen die Obrigkeit habe ich gefehlt, aber nicht gegen Gott.« Danach herrschte Schweigen und man hörte nur das Knistern der Glut in der winterlichen Luft.
    Mit ihm, dem ehemaligen König von Münster, sollte begonnen werden. Unter dem Gejohle und den Flüchen, dem Drohen und Geifern des Volkes entkleidete ihn der Henker aus Paderborn bis auf einen Lendenschurz, stellte ihn vor den Pfahl mit dem Kopf durch das Halseisen und kettete ihn an. Dann zog er eine rot glühende Zange aus den Kohlen und trieb sie in die linke Seite des Opfers.
    Als nichts weiter geschah, wandte er sich an den zweiten Blutrichter auf dem Podium, den Henker aus Münster, und zischelte ihm zu: »Na los, worauf wartest du?«
    Erst da fiel die Erstarrung von mir ab, ich ergriff eine zweite Zange und packte die rechte Seite des Delinquenten an. Gleichzeitig rissen wir das qualmende und stinkende Fleisch heraus.

Spätes Glück
    Ich war an keinem besonderen Tag aufgebrochen. Kein Stern war im Osten aufgegangen, keine Jungfrau hatte ein Kind zur Welt gebracht, und falls mir unterwegs drei Könige begegnet sein sollten, habe ich sie jedenfalls nicht bemerkt.
    Zenobia hatte alles ihr zu Gebote Stehende unternommen, um mich von meiner Reise abzubringen. Zuerst hatte sie es auf die vermeintlich Erfolg versprechende Weise getan und an meine Vernunft appelliert. Dann setzte sie ihre Hoffnungen auf das Gefühl und überraschte mich mit Kunstfertigkeiten, die mich an die frühen Wochen unserer Bekanntschaft erinnerten. Als das nicht half, entschied sie sich für den regelmäßig sichersten Weg und wollte mich bei meiner Geldgier packen, indem sie mir beständig die Kosten meines Unterfangens vor Augen zu führen suchte.
    Glaubt mir, meine verständnisvollen Freunde, ich bin nicht so hartherzig, wie ich bisweilen erscheinen mag. Deshalb versetzte es mir tief in meinem Innersten immer einen schmerzhaften Stich, wenn ich bei ihren verzweifelten Versuchen, mich von meinem Plan abzubringen, die ehrliche Trauer in ihren Augen sah, wusste ich doch, dass sie nur mein Bestes wollte. Jedoch, meine Absicht stand unverrückbar fest, weshalb ich sie in ihrem von vornherein zum Scheitern verurteilten Streben nicht länger leiden lassen wollte. So beendete ich schließlich die unsinnigen Dispute eines Tages, als sie mich wieder einmal nach der Triebfeder meines Unterfangens gefragt hatte, mit der lakonischen Feststellung: »Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!«
    Dies sagte ich nicht etwa in der ehernen Gewissheit, dereinst hiermit einen hervorragenden Platz in einer Sprüchesammlung von Dummköpfen einzuheimsen und unbekannterweise bis ans Ende der Menschheit von überwiegend sprachlosen Kerlen zitiert zu werden, sondern weil ich meinen Schatz einfach nicht mit der Wahrheit beunruhigen wollte. Hätte sie gewusst, dass ich mich mit meiner Tat auch von meinen Albträumen befreien wollte, hätte sie sich sicherlich die Schuld dafür gegeben, mich nicht auf andere Weise vor ihnen erretten zu können. Dass es mir vor dem in meinem Geiste immer wieder erscheinenden Bild meines Auftritts auf dem Schafott in Münster aber hauptsächlich und ganz primitiv um Rache ging, ich glaube, sie hätte mich durch beständige Untermengung von Rauschmitteln in meinem Essen auf ewig in einem willenlosen Zustand gehalten.
    Also begnügte ich mich an diesem entscheidenden Tag mit eben jenem törichten Satz, setzte mich auf mein Pferd und ritt davon, ohne mich noch einmal umzusehen.

    Sechs Wochen waren seitdem vergangen, bis ich heute an dieses Haus kam und folgende Frage stellen konnte. »Bist du der Schmied, der die Zangen gefertigt hat, mit denen in Münster vor fünf Jahren die Wiedertäufer hingerichtet worden sind?«
    Der rauchgeschwärzte Mann an der Esse wischte sich die Hände an einem dreckigen Lumpen ab, bevor er sich umwandte und mit einem argwöhnischen »Ja« zu mir herüberkam.
    »Das ist vortrefflich, Meister, ganz ausgezeichnet, denn dann habe ich einen Auftrag für dich.«
    Der fette Franz hatte sein Wort gehalten. Wenn ich die Rolle des Henkers von Münster übernähme, würde er mich ziehen und für alle Zeiten in Frieden
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