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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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da so dicht über mir schwebte, dass es mein gesamtes Gesichtsfeld ausfüllte, war das feist grinsende Gesicht des fetten Franz.
    Rotweintröpfchen prustend und auf meine Stirn sabbernd verkündete er mir meine nähere Zukunft, während er mit schwungvoller Gebärde das Glas über mir kreisen ließ. »Ah, mein getreuer Diener und langjähriger Empfänger meiner vielfachen Wohltaten ist von seinem schlechten Gewissen zu mir zurückgeführt worden. Brav, brav, doch leider zu spät. Deine Rolle im großen Schauspiel habe ich schon lange festgelegt. Es fehlt mir immer noch einiges an Gold, du Abtrünniger und Verräter. Du Beschützer dieses Hundes Rothmann, der unbedingt die Hand beißen musste, die ihn so lange gefüttert hat. Dafür werden sich die drei anderen Anabaptistenschurken über deine Begleitung freuen. Du hast mir mit dem Prädikanten den vierten Mann gestohlen, jetzt musst du selbst mit hinauf.«
    Und während er sich vor Lachen ausschütten wollte, wurde mir wieder der Sack übergestülpt. Man zerrte mich auf die Beine, heraus aus dem Schloss und auf einen Karren, auf dem ich vor Schwäche einnickte, während er durch die Nacht einem unbekannten Ziel entgegenratterte.

Der Raben Speise
    Obwohl Tausende von Menschen um mich versammelt waren, hörte und roch ich hier oben nichts anderes als die glosende Holzkohle, in der vier eiserne Zangen zum Glühen gebracht wurden. Nichts anderes drang bis in mein Gehirn. Selbst meinen eigenen Schweiß, der mir trotz dieses kalten Wintertages den Körper herunterlief, meine fiebrigen Ausdünstungen nahm ich nicht wahr.
    Für einen Moment stand ich allein in der Mitte der durch Holzbohlen errichteten Plattform, die man auf dem Prinzipalmarkt über drei zusammengebundene Wagen gelegt hatte. Mir kam für einen Augenblick der absurde Gedanke, dass dies doch eine wenig vollkommene Bühne war für ein derart monumentales Schauspiel, dem unsere fürstbischöfliche Exzellenz so lange entgegengesehen hatte.
    Dann erst wurde mir der Pfahl mit dem eisernen Halsreifen in seiner Endgültigkeit bewusst, dann erst bemerkte ich den Henker, der schon vor mir die Stufen des Schafotts emporgestiegen war, einen Mann, den man extra aus Paderborn hatte kommen lassen. Um mich abzulenken, hatte ich mich auf den letzten Metern meines Weges auch über ihn und darüber erkundigt, ob er sein Amt auch verstünde. Die Antworten, die mir mit wissend schadenfroher Miene gegeben wurden, ließen keinen Zweifel an seiner Kunstfertigkeit.
    Nach mir wurden die drei Herrscher des vergangenen Wiedertäuferreichs hinaufgeschleppt. Nicht wenige aus der Menge der Gaffer hatten durch sie Freunde und Verwandte, Hab und Gut verloren und waren auf die eine oder andere Weise ins Unglück gestürzt worden. Entsprechend war der Zorn der Masse, der sich nur deshalb nicht entlud, weil alle wussten, dass man mit den Delinquenten schlimmer verfahren würde, als sie selbst es jemals gekonnt hätten. Ich blieb zwar von diesem zornigen Hass der Meute verschont – nur, was nützte es mir?
    Denn heute, am 22. Januar des Jahres 1536, war es soweit. Heute sollte sich die Rache des fetten Franz an seinen Erzwidersachern vollenden, die ihn nächtelang den Schlaf, monatelang die gute Laune und letztlich ein kaum vorstellbares Vermögen gekostet hatten. Jan Bockelson, genannt Jan van Leyden, Bernd Knipperdollinck und Bernd Krechtinck sollten nun endlich ihre gerechte Strafe finden, die nichts anderes sein konnte als ein grausamer Tod, nachdem man sie wochenlang über Land geführt und die Besiegten dem Volk wie exotische Tiere aus fremden Kontinenten zur Schau gestellt hatte. Sie waren formell verurteilt worden, weil sie »in Münster eine unerlaubte, boshafte und viehische Religion eingeführt, Kirchen geschändet, den Bürgern ihr Eigentum weggenommen, das Volk gegen die Obrigkeit aufgewiegelt und schließlich viel Blut vergossen« hätten. Also sollten sie mit glühenden Zangen gerissen und anschließend mit glühendem Eisen durchstoßen werden.
    Ich kannte die Prozedur schon, mir war Wolbeck in bester Erinnerung. Und so hatte ich Mühe, nicht die Fassung zu verlieren und mich überhaupt auf den Beinen zu halten. Denn heute sollte auch der Tag sein, an dem Franz in einem Aufwasch seine Rache an mir vollenden wollte. Wie hatte ich nur so gänzlich von Sinnen sein können anzunehmen, er würde mich entkommen lassen, würde vergessen können, dass ich durch die Unterschlagung des Geldes,
seines
Kriegsgeldes, und wäre es auch nur
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