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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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schöpfen zu können, wird ihm nicht schwergefallen sein.«
    Während ich in meiner bevorzugten Art im Zimmer auf und ab ging, waren nur das Geräusch meiner Schritte, das Knistern im Kamin und ein gelegentliches Stöhnen von Klaas Hillink zu hören, von der übrigen Welt abgeschirmt durch den Vorhang eines kaum merklichen, nieseligen Regens. Ich war mir bewusst, dass zumindest ein Teil meiner Geschichte für jeden hier Anwesenden neu war, sodass ich mir der ungeteilten Aufmerksamkeit meines Publikums sicher sein konnte.
    »Ich glaube, dass es Wullenwebers ursprünglich Plan war, Conrad auf der Reise spurlos verschwinden zu lassen. Damit wäre ein Sündenbock geschaffen gewesen und er hätte gleichzeitig den Vorteil gehabt, noch eine Weile am Hofe bleiben und sich erst dann entfernen zu können, wenn niemand auch nur den geringsten Verdacht gegen ihn hegen würde. Doch als ihm seine Späher berichteten, dass Conrad nicht alleine reiste, sich sogar noch zwei Landsknechte in der Reisegesellschaft befanden, war er gezwungen, einen viel größeren Aufwand zu treiben als vorgesehen. Zur Erreichung seines Ziels tat er zweierlei: Kraft seiner Machtposition befahl er Südmersen, den so günstig an der Straße nach Norden gelegenen Herbergshof für eine gewisse Zeit zu räumen, wobei er ihn wahrscheinlich mit einer kleinen Entschädigung zu beschwichtigen suchte.«
    Das Kopfnicken des älteren Mannes, der Dirk bewachte, bestätigte die Richtigkeit meiner Folgerung.
    »Zweitens ließ er durch seine Kreatur, den Mann mit der sternförmigen Narbe, einen Hinterhalt legen. Ich wette, hätte er den Schatz an sich gebracht, er hätte kein Mitglied der Bauersfamilie am Leben gelassen, um alle Risiken auszuschließen. Alles war vorbereitet, um für das Gold mehr Leute umzubringen, als ein Mensch Finger an beiden Händen hat, als die Nachricht von Conrads Tod kam. Wullenweber muss vor Wut fast geplatzt sein, als er erfuhr, dass ihm jemand bei dem Gold zuvorgekommen war. Aber noch war nicht alles verloren. Brächte später ein anderer das Gold, würde es eben diesem armen Kerl so ergehen, wie Conrad zugedacht. Was mir persönlich verständlicherweise am wenigsten gefällt, denn Conrads Nachfolger bin ich. Er brauchte nicht einmal groß umzudisponieren, weil mich der Narbige vom Ansehen her kannte, das neue Ziel also leicht auszumachen war. – Aber dann nahmen die Dinge eine gänzlich andere Wendung, weil Südmersen dem Braten nicht traute. Zu wenig bischöfliche Uniformen in der Nähe, zu viel Gesindel auf seinem Hof, zu viel Heimlichkeit – war es so?«
    Wieder kam das Nicken aus der Ecke.
    »Deshalb wandte er sich an seinen Bruder, der, wie ich vermute, immer schon mit den Ideen des Bundschuhs geliebäugelt hatte und überzeugt davon war, dass die Obrigkeit den Bauersmann immer nur über das Ohr hauen wird – richtig?«
    Der lange Südmersen grummelte auf meinen fragenden Blick: »Wenn den hohen Herrn die Laune reitet, wird er dir die Hand hinhalten, um dich aus dem Sumpf zu ziehen, aber nur, um dich gleich wieder an einer tieferen Stelle mit einem Arschtritt hineinzuschleudern.«
    Der Bunte Mann ließ dazu von seinem Platz an der Tür ein wissendes Lachen hören und feine Falten umtanzten seine sprühenden Augen. »Wären doch alle Bauern so weise wie dieser, die Herrschaft wäre längst eine andere.«
    Ich konnte hier keinen Disput über Fragen revolutionärer Umwälzung gebrauchen und wiegelte daher ab. »Sei es, wie es sei, jedenfalls kam der Bruder, forschte und beobachtete. Und er merkte sehr schnell, dass die Sache mächtig zum Himmel stank. Allein, durch bloßes Observieren erschlossen sich ihm die Zusammenhänge nicht, nicht einmal seinem erfahrenen Freund, von dem ich annehme, dass es sich bei ihm um ...«
    Als ich mich wieder zu dem Bunten Mann umwenden wollte, war ich nicht wenig überrascht, seine Stelle leer zu finden. Der lange Südmersen bemerkte dazu gleichmütig: »Sein Name ist seine Angelegenheit. Er streicht über das Land wie der Wind, erfüllt seine Aufgabe und verschwindet wieder. Besser, wir Bauern würden zu ihm beten als zu einem Gott, der uns seit Ewigkeiten im Stich lässt. Vergesst zu unser aller Wohl, dass Ihr ihn getroffen habt.«
    »Mir ist es gleich. Er hat mir ebenso geholfen wie Ihr und dafür bin ich dankbar. – Aber weiter. Ihr musstet also zu härteren Mitteln greifen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die beste Gelegenheit bot sich, als das Gaunerpack losgezogen war, um uns eine Falle zu
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