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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition)
Autoren: Stephanie Nailik
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    Sie
blinzelte gegen die Sonne und genoss in vollsten Zügen die prickelnde Wärme auf
der sonnenentwöhnten Haut. Ihr Fuß wippte beschwingt im Takt des kraftvollen,
rhythmischen Bowie-Songs, der über die kleinen, runden Ohrstöpsel ihres
Musikhandys direkt in ihren Kopf transportiert wurde. Die USB-Übertragung von
ihren heißgeliebten alten Vinyls hatte zu einer eigenartigen und liebenswerten
Symbiose geführt, die Musik im MP3-Format mit dem Rauschen und Knacken echter
Schallplatten zum Ergebnis hatte.
    Es war wohl der letzte spätsommerliche
Tag in diesem bisher so verregneten und tristen September, der sich eher wie
ein April aufgeführt hatte, und die Menschen bevölkerten in Scharen die Straßen
Wiens. Die Temperatur war auf wohlige 24° Celsius geklettert und so hatte sich
Eliza für einen der begehrten Plätze vor der Tür des Paolo Bortolotti in der Mariahilfer Straße entschieden. Sie nippte an ihrem Milchshake und beobachtete die Leute,
die an ihr vorübergingen. Offenbar hatten alle sehnsüchtig auf das schöne
Wetter gewartet, denn die Gesichter der Menschen kamen ihr gelöster und
fröhlicher vor als sonst. Die Stimmung war eine ganz andere, als in den Tagen
zuvor, an denen alle versucht hatten, in geduckter Haltung und mit sputigem Schritt von einem Geschäftseingang zum nächsten zu
hetzen, um nicht völlig durchnässt zu werden. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft
hatte Eliza das Gefühl, tatsächlich in der Stadt zu sein, die sie von so vielen
Urlauben und Exkursionen zu kennen geglaubt hatte und die ihre Heimat auf Zeit
sein sollte, die sich aber in ihren ersten Wochen hier so ganz anders und so ungeahnt
ungastlich präsentiert hatte.
    Eben gingen drei alte Damen im
eigenwilligen Partnerlook mit dunkelblauen Windjacken und weißen Hosen vorüber,
von denen zwei zu allem Überfluss auch noch weiße Schirmmützen mit
Schiebedacheffekt trugen, durch deren Öffnung ihr graues, dauergewelltes Haar hervorlugte .
    Eliza beobachtete eine junge Mutter im
adretten Businesslook, die mit einem kleinen Jungen an der einen und einer
Kelly- Bag an der anderen Hand, zielstrebig auf den
Straßenverkauf des Bortolottis zusteuerte. Doch noch
ehe sie die Eistheke erreicht hatten, übersah das
Kind im Eifer des Gefechts eine Unebenheit im Bodenbelag und schlug der Länge
nach auf den Asphalt. Eliza erwartete Gebrüll, Tränen und herzzerreißende
Szenen. Stattdessen zog die Mutter den Jungen rasch auf die Beine.
    „Hast du was gefunden?“
    Der überrumpelte Junge schüttelte mit
dem Kopf.
     „Schade“, lautete die lapidare
Antwort der Mutter, ehe die beiden ihren Weg fortsetzten.
    Es war keine einzige Träne gekullert.
     Eliza schaute auf ihre Uhr. Vor
ihren Augen tanzten dunkle Flecken und es fiel ihr schwer, die Zeiger zu
erkennen. Sie zahlte und griff nach ihrer Handtasche und dem Leinenbeutel mit
der Aufschrift I’m not a Plastic Bag , in dem sich ein
paar Bücher befanden, die sie zuvor als Fernleihen bei der
Universitätsbibliothek abgeholt hatte. Sie passte ihren Schritt den
schlendernden Passanten an, fühlte sich aber weder den Einheimischen zugehörig
noch den Touristen, deren Status sie meinte, nun entwachsen zu sein. Sie nahm
sich Zeit und Muse, sich die Schaufensterauslagen anzusehen, bog dann auf den
Hof des Museumsquartiers ab und schlenderte zum Leopoldmuseum hinüber. Sie
stieg die Außentreppe empor und befand zum wiederholten Mal, dass dieser
moderne Museumskubus einfach nicht zu den Werken passen wollte, die er
beherbergte.
    Ehe sie um 19.30 Uhr ihre Führung
absolvieren würde, hatte sie sich vorgenommen, noch ein wenig durch die
Sammlung zu flanieren, sich dabei die Route für den späteren Rundgang zu
überlegen und bei ihren besonderen Lieblingen vorbeizusehen. Sie begrüßte ihre
Kollegin Bianca, die gerade mit einer Führung fertig war und sich für einen
Moment auf einer der Sitzinseln niedergelassen hatte. Nach einem kleinen
Plausch war Eliza pünktlich zurück im Foyer und erwartete gespannt - und wie
immer etwas nervös - wie viele und welche Art von Gästen sich einfinden würden.
    Wenig später hatte sich eine kleine
Traube um sie herum gebildet. Eliza machte es Spaß, den Menschen auf den ersten
Blick Berufe zuzuordnen und häufig lag sie mit ihren Vermutungen gar nicht so
daneben. Ihre Spezialität war es, Lehrer zu identifizieren und heute waren
mindestens vier davon unter den Anwesenden. Ein alternativ wirkendes Elternpaar
mit zwei lebhaften, etwa zehn- und zwölfjährigen
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