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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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Vorrede des Autors
    Verehrte Leserinnen, geschätzte Leser!
    Als mir das lange unentdeckte Manuskript eines gewissen Frederik von dem Kerkhof in die Hände fiel, das ich nachfolgend in verständliche Form zu transponieren und der heutigen Zeit angepasst wiederzugeben versuche, habe ich mich bereits nach den ersten Seiten bemüht, mir ein Bild von der Epoche und den Umständen zu machen, zu welchen sich seine Geschichte ereignet hat. Es ist im Wesentlichen die Zeit der Wiedertäuferherrschaft über Münster, also die Zeit um 1534/35.
    Das historische Rahmengeschehen lässt sich wie folgt kurz umreißen:
    Es ist eine Phase des Umbruchs (Luther, Müntzer, die Bauernkriege sind jüngste Vergangenheit). Aus den Niederlanden schwappt die Wiedertäuferwelle auch nach Westfalen, die neben einem reformatorischen Glaubensgedanken ein neues Selbstverständnis des Individuums transportiert. Sie ist Nährboden für Schwärmer und Volkstribunen, die es verstehen, mit der Kraft ihrer Rede und starker persönlicher Präsenz das Volk für ihre revolutionären Ideen zu begeistern. Als ihre Macht so groß wird, dass sie die Katholiken aus der Stadt jagen und dort das neue Königreich Zion ausrufen, ist der Bischof zum Handeln gezwungen, um die Institution der überkommenen Gesellschaftsordnung, die der katholischen Kirche und seine eigene, zu retten. Während er sich genötigt sieht, eine zeit- und kostenaufwendige Belagerung durchzuführen, kommt es in Münster zu Exzessen wie Bildersturm, Massenhinrichtungen und Vielweiberei. Nach der Einnahme der Stadt, die durch Verrat fällt, folgt die grausame Rache der Sieger, die zur Ausrottung des Anabaptismus im Münsterland führt.
    Die Figuren des
    Franz von Waldeck (Fürstbischof von Münster),
    Jan Bockelson, genannt Jan van Leyden (ehemaliger Schankwirt und Bordellbetreiber, später Anführer der Wiedertäufer und selbsternannter König von Münster),
    Bernd Knipperdollink (ehemaliger Tuchhändler und Bürgermeister von Münster, später Stellvertreter des Jan Bockelson),
    Bernd Krechtink (dritte Kraft im Führungstrio der Wiedertäufer),
    Bernhard Rothmann, genannt Stutenbernd (zunächst Kaplan am St. Mauritz-Stift, später sog. Prädikant der Wiedertäuferbewegung),
    Jan Matthijs (Prophet des Anabaptismus aus den Niederlanden) und
    Joss Fritz (Bauernführer; der beim »Bundschuh«, einem Zusammenschluss der Bauern zu einer kämpfenden Truppe, eine herausragende Position bekleidete)
    sind real.
    Tatsachen, die für diesen Roman bedeutsam erscheinen, sind unter anderem:
    - Der erste wirklich bedeutende Prädikant in Münster und damit Wegbereiter der Wiedertäuferbewegung ist Bernhard Rothmann, der das Abendmahl auch außerhalb der Kirche zelebriert, wo er Weißbrot mit Wein übergießt und verteilt. Letzteres trägt ihm den Namen »Stutenbernd« ein. Sein Verbleib nach der Einnahme Münsters ist ungewiss, seine Leiche wird nie gefunden.
    - Der Krieg gegen die Wiedertäufer kostet den Bischof Unsummen, die er zu einem großen Teil nur durch geliehene Gelder aufbringen kann, für die bisweilen sogar Kirchenschätze verpfändet werden müssen.
    - Die Anführer der Wiedertäufer werden im Januar 1536 von zwei Henkern aus Paderborn und Münster auf dem Prinzipalmarkt mit glühenden Zangen zerrissen und schließlich durch einen Stich ins Herz getötet. Ihre Leichen werden in eisernen Käfigen am Turm von St.Lamberti aufgehängt.
    Doch trotz all dieser gesicherten Erkenntnisse hat mich die weitere Lektüre zu der Überzeugung gelangen lassen, dass es sich bei unserem Frederik um einen ziemlichen Lügenbold und Schwadronierer handelt, der doch den Fiktionen den Vorzug vor allen Fakten gibt. Oder ist auch nur einer unter Ihnen, der jemals von einem »Dieb der Seelen« gehört hätte, von einem Medicus Ossenstert, einem Pietro Della-Croce und den Brüdern Hillink, geschweige denn von einer Verschwörung zwischen ... aber da will ich nicht vorgreifen. Und an wen ich erst recht nicht glaube, ist dieser englische Waffenmeister, der kurioserweise einen Namen trägt, den ich schon auf der Besetzungsliste von Agentenfilmen gefunden habe.
    Was soll ich also von unserem Frederik und seinem ominösen Manuskript halten? Soll ich seine Aufzeichnungen in den Reißwolf stecken, bloß, weil ich von diesen Menschen und Geschehnissen nichts weiß? Hätte es sie nicht doch so oder in ähnlicher Form geben können?
    Deshalb ziehe ich es vor, mich aus der Verantwortung zu stehlen und die Entscheidung ganz allein
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