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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille
Autoren: Marcia Muller
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17 Uhr 55
     
     
    Der Telefonhörer gab ein Piepstakkato
von sich. Ich starrte ihn an wie ein unbekanntes Objekt, legte ihn dann auf.
Vor ein paar Minuten war meine Welt ins Trudeln geraten, und jetzt schien alles
aus dem Lot.
    Ich ging hinüber zur Fensterfront des
Hauses im exklusiven Sea Cliff und schaute hinaus auf die untere Terrasse, wo
sich die Hochzeitsparty langsam auflöste. Es war ein perfekter Septembertag,
warm und klar, kein Nebelfetzchen, das die Sicht auf die Golden Gate Bridge
getrübt hätte — der Beginn der Jahreszeit, die wir hier in San Francisco als
Sommer betrachten. Die Gäste trugen farbenfrohe Kleidung, von Shorts und
Hawaii-Hemden bis hin zur Abendgarderobe. Das typische bunte Völkchen, das man
auf einer kalifornischen Hochzeit erwarten konnte.
    Und es war eine tolle Hochzeit gewesen.
Meine Freundin und Angestellte Rae Kelleher und mein Ex-Schwager, der
Country-Music-Star Ricky Savage, gaben sich am Terrassengeländer das Jawort,
mit dem funkelnden Pazifik im Hintergrund. Dann spielte die Band den Titelsong
seines neuen Albums — Red, eigens als Hochzeitsüberraschung für Rae
geschrieben und aufgenommen — , und die Leute vom Party-Service gingen mit
unerschöpflichen Mengen Sekt und Bergen von Meeresfrüchten, Kaviar und warmen
Hors d’œuvres herum; wir schwelgten wie im Schlaraffenland. Die Hochzeitstorte —
unüblicherweise aus Schokolade — war, kaum vom Brautpaar angeschnitten, auch
schon ziemlich dezimiert. Selbst die sechs Kinder aus Rickys Ehe mit meiner
Schwester Charlene, die anfangs eher gedämpft auf dieses neue Glück reagiert
hatten, lebten zusehends auf und entfalteten bald die verschiedenen
Verhaltensweisen, die ihnen den Spitznamen Little Savages, die kleinen Wilden,
eingetragen hatten.
    Als es für Rae Zeit war, das Brautkleid
gegen Reisekleidung einzutauschen, ging ich mit ihr nach drinnen, um meine
letzte Brautjungfernpflicht zu erfüllen — dafür zu sorgen, dass sie und Ricky
ihren Flug nach Paris in die Flitterwochen nicht verpassten. Das Telefon
klingelte, und sie sagte: »Geh doch mal dran. Ich bin groß genug, um mich
allein umzuziehen.« Also war ich zum Wohnzimmerapparat hinuntergegangen und
hatte abgenommen.
    Und meine Welt war ins Trudeln geraten.
    Jetzt fasste ich mir ans Haar, befühlte
das Herbstblumenkränzchen, das ich trug. Es war welk. Mein Kleid, ein seidenes
Gewirbel aus ähnlichen Farbtönen, war zerknittert, und ich war barfuß, weil ich
getanzt hatte. Unten auf der Terrasse hatte die Band jetzt zu spielen
aufgehört, und die Leute strömten langsam herein. Bald würden sie die Treppenstufen
hinaufkommen, um das Brautpaar aufbrechen zu sehen, und ich musste parat stehen
und lächeln, wenn Rae mir den Brautstrauß zuzuwerfen versuchte.
    »Gott, wie schaffe ich das?«, flüsterte
ich.
    Hinter mir hörte ich Schritte und
Stimmen. Das Zimmer füllte sich, aber ich stand erstarrt da. Ich musste mich zusammenreißen und umdrehen.
    Du hast viel Schlimmeres überstanden,
McCone. Tu einfach, als wäre nichts. Tu so, als hättest du den Hörer nie
abgenommen; verdirb Rae und Ricky diesen Moment nicht. Später ist noch Zeit
genug, es ihnen beizubringen.
    Ich straffte mich, beherzigte meine
eigenen Ermahnungen und wandte mich den Leuten zu. Alle redeten und lachten,
aber die Geräusche wirkten seltsam gedämpft. Ich entdeckte Rickys Jüngste,
Lisa, mit einem Batzen Zuckerguss auf der Backe. Mein Büroleiter Ted Smalley
und sein Lebensgefährte Neil Osborne sahen schmuck aus in ihren Westenanzügen
und mit ihren wilden Krawatten. Meine Anwaltsfreunde Anne-Marie Altmann und
Hank Zahn hielten ihre Adoptivtochter Habiba Hamid an den Händen — der Beweis,
dass einige Familien, und seien sie noch so ungewöhnlich zusammengesetzt, doch
funktionierten. Und da war Hy Ripinsky, sozusagen meine bessere Hälfte...
    Hy redete gerade mit Rickys Manager,
Kurt Girdwood, und bemerkte mich nicht. Ich drehte mich schnell weg, ging in
Richtung der Treppe, die Rae und Ricky jeden Moment herunterkommen würden. Hy
durfte mich jetzt nicht sehen; er würde sofort merken, dass etwas nicht
stimmte. In all den Jahren, die wir jetzt zusammen waren, hatte ich nicht ein
einziges Mal vor ihm verbergen können, wie mir zumute war.
    Jemand klopfte mir auf die Schulter:
Mick Savage, Rickys Ältester und der Computerexperte meiner Detektei. Sein
blondes Haar war zerzaust, und er hatte Spuren von knallrotem Lippenstift am Mund.
Charlotte Keim, Verursacherin der Farbspuren und
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