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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille
Autoren: Marcia Muller
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Blick. Ich wartete. Ma war
noch nie der Typ gewesen, der sich eine Gelegenheit entgehen ließ.
    »Und was ist mit deinen Geschwistern?
Deinen Neffen und Nichten? Jim und Susan? Du wirst sie doch hoffentlich nicht vergessen,
nur weil du jetzt diese neuen Halbgeschwister hast.«
    »Wie in aller Welt sollte ich das können ?
Selbst wenn ich sie vergessen wollte, würden sie das nie zulassen.«
    Jetzt lächelte sie. »Das stimmt. Sie
sind eine ganz schöne Bande. Immer schon gewesen. Aber du warst immer mein
braves Mädchen — soweit ich weiß jedenfalls.«
    Ich lächelte ebenfalls. »Ja, Ma, soweit
du weißt jedenfalls, war ich immer ein braves Mädchen.«

Donnerstag,
28. September

19 Uhr 10
     
     
    »Alles Gute zum Geburtstag, McCone.«
    Hy hob mir sein Sektglas entgegen. Wir
stießen sachte an, tranken dann. Wir saßen auf der Umrandung der gemauerten
Kaminfeuerstelle in unserem funkelnagelneuen, noch weitgehend unmöblierten
Wohnzimmer in Touchstone. Die Sonne war ein orangerotes Glühen am Horizont, und
die Brandungswellen hatten rötliche Gischtkronen. Möwen, Falken und Seeadler
kreisten über den Klippen, auf der Jagd nach einer Abendmahlzeit.
    Er setzte hinzu: »War ein ganz schön
wichtiges Jahr, dieses zweiundvierzigste, was?«
    »Ja — vier neue Familienmitglieder.
Aber dann ist da noch Austin.«
    »Hast du’s ihm auf dem Rückweg von San
Diego beigebracht?«
    »Habe ich, und er schien, ehrlich
gesagt, eher erleichtert. Ich glaube, er ist nicht gerade der väterliche Typ,
und er hat schon genug zu verarbeiten, nach dem, was dort oben passiert ist.
Meine Präsenz in seinem Leben würde ihn nur immer wieder schmerzlich daran
erinnern. Er hat gesagt, er möchte mit mir Kontakt halten, aber ich bezweifle,
dass er’s tut.«
    »Ist das ein Verlust?«
    »Nein. Ich habe nie wirklich einen
Draht zu ihm gekriegt, und er hat sich auch nur eingebildet, einen zu mir zu
haben. Und dann war da noch sein Vater...«
    »Nicht gerade ein angenehmer Mensch.«
    »Weißt du, es hat schon eine ziemliche
Ironie: Joseph DeCarlo begeht einen Mord, weil er glaubt, sein Sohn hätte einer
Indianerin ein Kind gemacht. Dann verbringt er Jahrzehnte damit, diesen Mord
mit allen möglichen finsteren Mitteln zu vertuschen. Er bringt Austin dahin,
ihn so zu hassen, dass er ihn schließlich tötet. Und am Ende war alles so unnötig.«
    »Ist das, was verblendete Fanatiker
tun, nicht immer unnötig?«
    »Unnötig und monströs.«
    Aber heute war mein Geburtstag, und ich
wollte nicht über belastende Dinge reden. Also kostete ich stattdessen die
Pâté, die, zusammen mit Kaviar, Brie und Crackern, zwischen uns auf dem Tisch
stand. »Erzähl mir von deinen Geiselnahmeverhandlungen.« Er hatte mich am
Freitag telefonisch in Boise aufgespürt, um mir mitzuteilen, dass sie
erfolgreich verlaufen waren. »Eigentlich möchte ich lieber darüber reden, wie wir
dieses Haus hier einrichten wollen. Mir geht es vor allem um Komfort, deshalb
finde ich...«
    Das Telefon klingelte. Ich ging hin,
fischte es vom Fußboden und nahm ab. John, der aufgeregt klang und sich nicht
damit aufhielt, mir zum Geburtstag zu gratulieren. »Was ist los?«, fragte ich.
    »Es ist wegen Joey. Wir haben endlich
etwas von ihm gehört, aber es gefällt mir gar nicht.«
    »Was hat er jetzt wieder angestellt?«
    »Ma hat heute Morgen eine Postkarte von
ihm gekriegt. Mit Datum von vor drei Wochen, sieht aus, als hätte sie einige
Irrwege hinter sich. Zeigt ein Lokal namens Anchor Bay Bar
& Grillrestaurant, und da steht, dass er dort arbeitet...«
    »Anchor Bay? Das ist gar nicht weit von
hier.«
    »Ich weiß. Na, jedenfalls, ich habe
dort angerufen und mit dem Inhaber geredet. Er sagt, Joey sei Montag vor einer
Woche nicht zur Arbeit erschienen. Nach zwei, drei Tagen ist eine von den
Serviererinnen — ich schätze, sie ist Joeys Freundin — bei dem Wohnwagenpark
vorbeigefahren, wo er gewohnt hat. Sein Pick-up war weg, also hat sie den
Manager beschwatzt, sie in den Wohnwagen zu lassen. Seine ganzen Sachen waren
da, bis hin zur Zahnbürste. Sie hat jeden Tag nachgeguckt, aber es hat sich
nichts verändert.«
    Meine Kopfhaut kribbelte. »Klingt nicht
gut.«
    »Nein. Shar... ich weiß, du hattest
gerade erst mehr als genug Familienprobleme am Hals, aber könntest du nicht —«
    »Hinfahren und dem nachgehen.«
    »Genau.«
    »Lass mich schnell mein Notizbuch
holen, damit ich es mir genauer notieren kann.«
     
    Als ich auflegte, stand Hy an der Fensterfront
zum Meer und
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