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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille
Autoren: Marcia Muller
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Studiums zu jedem Semesteranfang geschickt hat — was dachtest
du, wo das Geld herkam?«
    »Sie hat mir gesagt, es käme von deinen
Adoptiveltern.«
    »Meine Eltern hatten in ihrem ganzen
Leben nie so viel Geld übrig. Es kam von Joseph DeCarlo.«
    Sie schüttelte den Kopf, als diese
Information zu ihr durchdrang.
    »Sieht aus, als hätte Fenella uns beide
belogen«, sagte ich.
    Saskia streckte den Arm aus und fasste
meine Hand. »Nimm’s ihr nicht übel, Sharon. Sie war eine sehr warmherzige Frau.
Ohne sie wären wir beide nicht die, die wir sind.«
    »Bedenk doch mal, was wir füreinander
hätten sein können, ohne ihre ganze Lügerei und Geheimniskrämerei.« Ich wollte
ihr meine Hand entziehen, ließ sie aber doch, wo sie war — ein schlaffer,
gefühlloser Klumpen Fleisch und Knochen.
    Saskias Mund wurde schmal, als sie
begriff, dass ich nicht nur wütend auf Fenella war, sondern auch auf sie. Dann
sagte sie: »Ich möchte dich um Verzeihung bitten. Als ich dich damals
weggegeben habe, dachte ich, ich wollte dich nur vor Joseph DeCarlo schützen,
aber ich schätze, es war auch Egoismus. Ich hatte Träume: Ich war nicht dafür
bereit, ein Kind allein großzuziehen.«
    »Später, als du diese Träume realisiert
hattest, hast du nicht mal den Versuch gemacht, mich zu finden.«
    »Weil Joseph mich immer noch überwachte
— und dafür sorgte, dass ich es wusste.«
    »Was dachtest du, was er tun würde? Er
wollte mich doch nicht.«
    »Eben. Und er hätte alles getan, um
deinen... Austin gegen dich aufzuwiegeln. Diese Art Ablehnung kann für ein Kind
oder eine junge Frau verheerend sein.«
    »Klingt wie eine ziemlich windige
Ausrede, wenn du mich fragst.«
    Tränen stiegen Saskia in die Augen.
»Bitte nicht, Sharon.« Ich sah auf unsere vereinten Hände, zu keiner Reaktion
fähig. Nach einer Weile sagte ich: »Da sind noch ein paar Dinge, die ich gern
wüsste.«
    »Ja?«
    »Wo warst du während der
Schwangerschaft?«
    »Bei Fenella und Großtante Mary.«
    »Mary McCone war deine Großtante? Das
heißt, ich bin um ein paar Ecken tatsächlich mit meinen Adoptiveltern
verwandt.«
    »Ja.«
    »War es eine leichte Geburt?«
    »Nein, schwierig.«
    »Na ja, manche Dinge ändern sich nie.
Ich war mein Leben lang schwierig. Kam ich zum vorgesehenen Termin?«
    »Auf den Tag genau neun Monate nach
deiner Zeugung.« Ich nickte. Sie hatte mir gesagt, was ich wissen musste.
Saskia sagte: »Bitte wirf Fenella und deinen Eltern nicht vor, dass sie gelogen
haben. Wenn jemand Schuld trägt, dann ich.«
    »Ich werfe niemandem irgendwas vor.«
Während ich das sagte, merkte ich, dass mein ganzer Zorn — auf sie, auf Ma und
Pa, auf Fenella, auf meinen leiblichen Vater — verflogen war. Ich drückte ihre Hand,
überbrückte die Distanz.
    »Also«, sagte ich, »wie soll ich dich
nennen?«
    »Warum nicht Kia? So nennen mich die
meisten Leute.«
    »Und was werden wir füreinander sein?
Du bist meine Mutter, aber...«
    »Aber deine wahre Mutter ist die Frau,
die dich großgezogen hat. Das kann ich akzeptieren. Aber du und ich, wir können
doch Freundinnen sein, oder? Können wir’s versuchen?«
    »Natürlich können wir Freundinnen
sein«, sagte ich. »In gewisser Weise sind wir’s ja schon.«
     
     
     
     

21 Uhr 50
     
     
    Ich trat auf die Vorderveranda des
Blackhawk’schen Hauses und atmete die frische Herbstluft. Robin hatte für
diesen Abend eine spontane Grillparty organisiert, ein paar Freunde eingeladen.
Jetzt waren die Gäste gegangen, und sie hatte mir ausdrücklich befohlen, ihr
nicht beim Aufräumen zu helfen. Ich trat ans Geländer, spähte durch die Bäume,
bis ich den fast vollen Mond entdeckte. Etwas regte sich in der Verandaecke.
Ich drehte mich um, sah eine lange Gestalt, deren Haar im spärlichen Licht der
Straßenlaterne wie Zuckerwatte schimmerte. »Darcy?«
    »Yeah.« Eine Zigarette glomm kurz auf,
und ich roch Marihuana.
    »Warum warst du bei der Party nicht
dabei?«, fragte ich. »Musste arbeiten, und als ich dann herkam, hattet ihr alle
so viel Spaß...«
    »Und du hättest keinen gehabt?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Du bist schlecht drauf, weil ich heute
bei deiner Mutter
    war.«
    »Meiner Mutter? Wieso nicht deiner?«
    »Weil, wie Kia und ich heute Nachmittag
einmütig festgestellt haben, meine wahre Mutter die Frau ist, die mich
großgezogen hat.«
    »...Das habt ihr einmütig
festgestellt?«
    »Ja. Genau wie Robin und ich uns einig
sind, dass meine wahren Geschwister die sind, mit denen ich aufgewachsen
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