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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille
Autoren: Marcia Muller
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frequentierte, weil ihre
Waschmaschine kaputt war.
    »Ich weiß, es ist unlogisch, aber Ma
ist eben nicht logisch. Na, egal, Charlene und Patsy haben sich schon genommen,
was sie wollten, als Pa zu Nancy gezogen ist. Joey ist das sowieso alles wurst,
und ich wollte nur Pas Uhr und seine Navy-Medaillen, und die hat Nan mir
gestern gegeben.« Wir hatten sie am Abend besucht und festgestellt, dass ihre
erwachsene Tochter sich bestens um sie kümmerte. »Gibt’s irgendwas Spezielles,
was du gern hättest?«
    Ich sagte mit einem schiefen Grinsen:
»Ich hab’s schon — das zweifelhafte Privileg, das Zeug durchzugucken, das in
der Garage lagert. Möchte wissen, warum er das gerade mir zugedacht hat.«
    »Er hat gesagt, du seist die Einzige,
die den Grips und die Geduld dazu hat.«
    »Danke, Pa...«Ich erhob mein Glas gen
Himmel.
     
     
     
     

21 Uhr 15
     
     
    Die Garage war so voll gestopft mit
Kartons und Plastikkästen und alten Möbeln, dass gar kein Auto mehr reinpasste —
Ausdruck des Packrattensyndroms, das ich inzwischen als eine McCone’sche
Familienkrankheit betrachtete. Das einzige freie Fleckchen vor Pas Werkbank war
nicht groß genug, um die Sachen dort auszupacken. Ich ging trotzdem hin und
betrachtete das Werkstück, an dem er gerade gearbeitet hatte, als ihn der
Infarkt ereilte. Ein kleines Kästchen aus dünnen, glatt gehobelten Musterstücken
verschiedener exotischer Hölzer; die Teile waren alle zugesägt, das Kästchen
fast fertig. Ich würde den Rest verleimen: Das war das Andenken, das ich mir
mitnehmen würde.
    Aber erst mal die Kartons. Ich
schleppte ein paar ins Haus und machte mich an die Arbeit.
    Verschiedene Kleidungs- und
Uniformstücke aus seiner Zeit als Stabsbootsmann bei der Navy. Die würde ich
einem karitativen Secondhandshop geben. Bücher, hauptsächlich Abenteuerromane
und Thriller. Der Bibliothek spenden. Weitere Holzmuster, kaputtes und altes
Werkzeug, päckchenweise korrodierte Batterien, Munition für Waffen, die er
längst nicht mehr besaß, ein halbes Dutzend Fotoapparate der
Durchgucken-und-Draufdrücken-Sorte, alte Samentütchen und Blumenzwiebelsäcke,
Hunderte von Kugelschreibern, zerknautschte Tuben mit eingetrocknetem
Klebstoff, Marmeladengläser voller Nägel und Schrauben, alte Straßenkarten für
so gut wie jedes verflixte Eckchen der USA und Kanadas, Regalwinkel, — träger
und — haken, Telefonkabel und — buchsen, Margarinetöpfchen nebst Deckeln — großer
Gott, hatte er je irgendwas weggeschmissen? Und was zum Teufel sollte
ich mit dem ganzen Kram machen?
    Meine Augen fühlten sich sandig an, und
ich hatte Kopfschmerzen. Ich stand auf, holte noch ein paar Kartons aus der
Garage, ging dann ein Aspirin nehmen. Zehn vor elf auf der Küchenuhr, und der
Krempel hatte sich immer noch nicht merklich reduziert. Der Inhalt des nächsten
Kartons wollte sorgsam sortiert sein; die Aufschrift lautete: dokumente .
    Geburtsurkunde, Heiratsurkunde,
Scheidungsurteil. Navy-Entlassungspapiere. Zwei alte Testamente,
Versicherungsnachweise für den Chevy Suburban und den Airstream-Wohnanhänger.
Übertragungsurkunde für das Haus, auf eine Firma, die Charlene und Ricky mal
gegründet hatten; sie hatten ihm das Haus abgekauft und ihm ein lebenslanges
Wohnrecht eingeräumt — ihre Art, dafür zu sorgen, dass er es bei der Scheidung
von Ma nicht verlieren würde. Komisch, ich hatte mir gar nicht überlegt, was
aus dem Haus werden würde. Ich ging davon aus, dass Charlene es bei der
Scheidung von Ricky als Teil der Abfindung bekommen hatte; sie würde es
vermutlich verkaufen wollen.
    Diese Vorstellung machte mir inzwischen
nichts mehr aus. Es war nicht mehr mein Zuhause. Zu Hause, das war das Erdbebenhäuschen
im San Franciscoer Stadtteil Gien Park, das ich mit zwei Katzen teilte. Das war
Hys Ranch in der Hochwüste, in der Nähe des Tufa Lake. Das war Touchstone,
unser gemeinsames Grundstück an der Küste von Mendocino, wo sich unser
Traumhaus rapide der Fertigstellung näherte. Selbst meine Büroräume am Pier 24½
hatten für mich noch mehr von einem Zuhause als diese leere Hülse von einem
Haus.
    Beim Gedanken an meine Büroräume fielen
mir die beiden neuen Kunden wieder ein und die dringende Arbeit, die mich in
San Francisco erwartete. Ich stürzte mich mit neuem Elan auf die Papiere.
Reisepass. Abgelaufener Navy-Ausweis. Alte Giro- und Sparkontoauszüge.
PG&E-Anteilszertifikat. Unbedeutende Lebensversicherung, noch immer mit Ma
als Begünstigter. Eine Mappe mit
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