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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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sprach ich zu, seit wir uns hier in Marken niedergelassen hatten. Zenobia, die mit den 2.994 Gulden (sechs hatte ich schweren Herzens im Schlamm von Crange zurücklassen müssen, um zu verdeutlichen, wie schnell sich ein Knoten lösen und das Gold versinken konnte – die anderen hatte ich von den dankbaren DellaCroces zu meiner Geliebten schaffen lassen) vorausgereist war, hatte uns ein gemütliches, grün gestrichenes Holzhäuschen gekauft, das sich in nichts von den Fischerkaten der Nachbarschaft unterschied. Da mögt Ihr zwar räsonieren, dass nach einem so gefahr- und verdienstvollen Leben wie dem meinen ein imposanterer Ruhesitz angemessen wäre, doch bedenkt: Wo versteckt man eine Kartoffel besser als in einem Sack voller Kartoffeln?
    Außerdem, so hoch die Meinung auch war, die ich stets von mir selbst hatte, war ich nie der Typ, der Prunk und Protz wie eine Fahne vor sich her getragen hätte. Dass sich dies einmal auf eine höchst fatale Weise mit für mich schrecklichen Folgen ändern sollte, ist eben nur diesem teuflischen Schnaps zuzuschreiben.
    Doch wirklich nur ihm – und nicht vielleicht doch zu einem erheblichen Anteil den Nachtmahren, die mich heimsuchten, als ich endlich der Überzeugung war, in mein Leben wären Frieden und Geruhsamkeit eingekehrt? Will ich bloß nicht wahrhaben, dass auch in mir so etwas wie ein Gewissen schlummerte, das um so heftiger geweckt wurde, je ruhiger mein Dasein verlief?
    Und wenn Ihr mich jetzt fragt, meine Freunde, in welcher Nacht diese Träume begannen, so glaubt mir eines: Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, warum sie kamen, aber irgendwann waren sie da. Ich habe lange gegrübelt und mir fällt keine andere Lösung ein, mag sie Euch auch noch so abwegig erscheinen: Es war die Sicherheit, in der ich mich befand, die Zufriedenheit, die Ruhe, das Glück, die das Fundament gegossen hatten. Und darauf war aufgebaut die unterschwellige Angst, alles wieder zu verlieren. Denn man hintergeht den fetten Franz nicht ungestraft.
    Es waren die Traumbilder, die keinen direkten Bezug zu ihm hatten, und vielleicht gerade deshalb um so vieles furchtbarer waren als alles das, was mir hätte geschehen können. Ich hatte mir seinerzeit nie Gedanken darum gemacht, was die Konsequenzen meines Tuns waren und welche schrecklichen Dinge ich anderen Menschen angetan hatte. Erst, als alles das längst hinter mir lag, tauchten sie in beängstigender Form wieder vor mir auf und bohrten sich in meine Träume. Nicht nur die, die ich mit eigener Hand getötet hatte. Sie waren grauenhaft, verwest in ihren Gräbern, geschändet vom Gewürm, auf eine unheilige Art ihrer Wesenheit beraubt und zu moderndem Schleim verkommen. Diese faulenden Fetzen von Knochen und Fleisch hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Schlimmer waren die, deren Tod ich verursacht hatte, ohne sie zu kennen und ohne ihn zu wollen. Frauen, deren Männer ich, berechtigt oder zu Unrecht, umgebracht hatte, Kinder, deren Väter durch meine Hand gestorben waren, ohne dass ich an ihre Existenz auch nur einen Gedanken verschwendet hätte.
    Sie kamen ganz allmählich, ohne sich mir aufzudrängen. Ein leeres Kindergesicht mit großen Augen, die nur starrten und keine Frage stellten. Eine Frau, die nur dasaß und die Hände rang, ohne mich dabei anzusehen.
    Nach dieser ersten Nacht der Heimsuchung trank ich mehr, als gut für mich war. Ich redete zu laut, soff zu viel und lud zu viele Unbekannte zum Trinken ein. Als die alten Chimären dem Rausch gewichen waren, kamen die nächsten Gäste der Nacht.
    Es waren die selbst gewählten, die man einmal in einer Laune auf einen Becher hergebeten hat und danach nie mehr los wird. Die auch noch dann da sind, wenn man sturztrunken am Tisch einschläft, die sogar morgens neben einem auf der Bank aufwachen, wenn der Wirt die Schenke fegen will. Schulterklopfer, Zuproster, Geschmeiß. Immer da, immer deiner Meinung, solange dein Geld reicht. Immer begierig, deine leichtfertig im Rausch offenbarten Geheimnisse in sich aufzusaugen wie ein Schwamm, um sie gegen klingende Münze eines Tages zu deinem Schaden aus sich herauswringen zu lassen. Und daher immer gefährlich, denn irgendwann konnte ich ihre Gesichter nicht mehr unterscheiden. Wer war Freund, wer Feind? Wobei selbst die als Freund eingestuften sich schnell ins Gegenteil verkehren konnten, wenn es um ihren eigenen Profit ging.
    Dabei hatte ich doch alles so klug eingefädelt. Seid Ihr etwa tatsächlich darauf hereingefallen, dass der alte
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