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Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter
Autoren: Sandra Henke
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Es begann vor weit zurückliegenden Tagen im Königreich Ingrimm. Belagert und bekämpft von den Heeren Wahnsteins im Westen und Frostlandes im Norden wehrte sich das Volk der südlichen Krisis verzweifelt gegen eine Niederlage. Doch eine viel gefährlichere Macht lauerte im Osten auf einen Moment der Schwäche – Valkenhorst, das Land der Vampire – um Ingrimm nicht durch Krieg, sondern durch eine subtilere Art zu unterjochen. Die Blutsauger herrschten über menschliche Untertanen, knechteten und töteten in schwarzen Samtroben. Sie vermochten Ingrimm nicht einzunehmen, denn das Reich besaß das Geheimnisvolle, einen Schutz, der den Bewohnern Immunität gegen den übernatürlichen Einfluss der Vampire gewährte. Erhaben wartete Valkenhorst auf die Wende. „Die östliche Krisis wusste, ihre Chance würde kommen. Und eines Tages kam sie...
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    „Bring ihm einen Becher Wasser.“ Loreena kniete vor dem Krankenbett ihres Vaters, als die Nacht hereinbrach. Auf der Kirschholzkommode unter dem Fenster stand eine Trauerkerze. Die zuckende Flamme erhellte spärlich das Gemach. Die Atmosphäre war gespenstisch, bedrückend wie in der Familiengruft.
    Loreenas Blick folgte dem klumpfüßigen Diener, der in den Korridor hinaushumpelte und mit einem Tonkrug zurückkehrte. Er füllte einen Holzbecher mit Wasser und reichte ihn der jungen Frau mit den rundlichen Hüften. Dann zog er sich zurück.
    „Trink, Vater. Du musst trinken.“ Sie hielt Wor den Becher an die spröden Lippen, doch er winkte ab.
    „Was nützt es zu trinken, Tochter. Ich werde sterben, so oder so.“
    Besorgt zog sie die Gänsedaunendecke bis unter seine Achseln. Loreena schmerzte es, den Tod in seinen trüben Augen zu sehen. Verwundet war er am Ende des Winters von der großen Schlacht auf der Ebene Fallbö zurückgekehrt, durchbohrt von einer Schwertklinge Firns. Mit seiner königlichen Kraft schwand auch die Hoffnung des ingrimm’schen Volkes. Lomas, der Sohn des Königs, wurde ein Gefangener des Nordens. Alle Heerführer waren in den Schlachten gestorben, alle Flottenkapitäne mit den brennenden Kriegsschiffen vor den Kaimauern der Hauptstadt Küstenmarks untergegangen. Nun lag auch König Wor im Sterben. Es gab niemanden, der das gebeutelte Volk anzuführen vermochte.
    Tiefer als jemals zuvor lagen seine Augen in den Höhlen, umrandet von Schatten. Die Barthaare sahen stumpf aus und seine Lippen waren aufgeplatzt. Loreena bemerkte, dass er Mühe hatte zu sprechen. Verschwitzt lag das schulterlange silbergraue Haar auf dem Kissen.
    „Du darfst nicht aufgeben. Es gibt immer Hoffnung!“ Verzweifelt legte Loreena ihre Hand auf seinen fiebrigwarmen Unterarm.
    Als er sich zu ihr drehte und seine Hand auf die ihre bettete, verzog er schmerzerfüllt das Gesicht. „Die gibt es, aber sie ist zweifelhaft.“
    Sie runzelte die Stirn. Besorgt und dennoch neugierig fragte sie: „Wovon sprichst du, Vater?“
    Er verstärkte seinen Griff, als wollte er die Intensität seiner Worte unterstreichen. „Wir müssen einen Pakt mit dem Teufel schließen, um das Ruder noch einmal herumzureißen.“
    Ungläubig zog Loreena ihre Hand unter der ihres Vaters heraus. Sie starrte ihn an, diesen alten Mann, der mit einem Loch im Bauch vor ihr auf dem Bett lag und anscheinend von Fieberträumen geplagt wurde. Schließlich fand sie ihre Sprache wieder. „Du kannst sie nicht meinen. Du kannst nicht von ihnen sprechen – diesen Teufeln in Menschengestalt. Diese Bestien lauern doch nur darauf, unsere vom Krieg ausgemergelten Körper auszusaugen.“ Sie schweig einen Moment. Als Wor nicht antwortete, fuhr sie wütend fort: „Sie halten die Menschen innerhalb der Grenzen Valkenhorsts gefangen. Vater, sie zwingen unseresgleichen nicht nur für sie zu arbeiten, sondern halten ganze Familien wie Tiere in einem Käfig ohne Gitter.“
    „Genug, Loreena.“ Wor hob mühsam die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten.
    Unbeeindruckt machte sie ihrem Hass auf Valkenhorst weiterhin Luft. „Die Menschen der östlichen Krisis sind lebendiges Futter. Sie leben nur, um Blut zu lassen und irgendwann ausgesaugt zu werden. Oh nein, die feinen Vampire in schwarzem Zwirn machen sie nicht zu den ihren, sondern zapfen ihnen mit Nadeln Blut ab; lassen sie zur Ader. Hast du an die Kinder gedacht?“
    Unter lautem Stöhnen setzte Wor sich auf. Es dauerte eine Weile, bis er Luft holen konnte. Plötzlich griff er nach dem Holzbecher und schmiss ihn an die Wand gegenüber seiner Ruhestätte. Das Gefäß
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