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Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter
Autoren: Sandra Henke
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Phantasien? Sie wollte sich seinem Einfluss nicht noch einmal aussetzen, aber sie besaß keine Kraft mehr, sich gegen ihn zu wehren. Ihr Vater lag im Sterben. Ingrimm war am Ende. Loreena musste eine Entscheidung fällen, die das Krisis Gebiet verändern würde - egal wie sie entschied.
    Gepeinigt von Trauer und Verzweiflung nickte sie zaghaft. Innerlich weinte sie bitterlich, während Graf Schomul sein erhabenes Lächeln wieder fand.
    ~~~
    Der Heimweg erschien Loreena länger, als der Weg nach Wölfing. Keine gute Nachricht konnte sie dem ingrimm’schen Volk bringen, obwohl sie dem Befehl ihres Vaters gefolgt war. Sie saß schwermütig auf ihrem Schimmel und weinte in sich hinein. Zusammengesackt, mit der Kapuze weit übers Gesicht gezogen, ließ sie ihr Pferd den anderen folgen, ohne die Zügel in der Hand zu halten. Während des gesamten Rückwegs prasselte Regen auf sie herab. Der Tag war finsterer als die Tage zuvor, obwohl das Frühjahr vor der Tür stand. Sie sehnte sich nach dem Sommer, der dem Süden Sonnenschein bringen und die Vampire einschränken würde.
    Der Anblick Küstenmarks erzeugte Bestürzung in ihr. Zerfallen und düster hieß die Hauptstadt Loreena willkommen. Ihr einstiger Glanz war durch Beschuss und Hunger verblasst. Wer hatte ahnen können, dass Wahnstein und Frostlande gleichzeitig angreifen würden, obwohl kein Pakt zwischen den Ländern des Westens und Nordens bestand? Nun lag das Reich in den letzten Zügen - genauso wie König Wor.
    „Wenn das Volk von meiner Nachricht wüsste“, dachte Loreena, „würde es mir die Tore nicht öffnen, sondern mich wie einen Verräter zurück nach Valkenhorst jagen.“
    Doch niemand wusste von ihrem Geheimauftrag und so ritt sie mit ihrem Gefolge ungehindert in die Festung. Noch während sie einem Stallburschen den Schimmel übergab, ließ sie Wor den positiven Ausgang ihres Auftrags übermitteln. Sie selbst konnte ihm in diesem Moment nicht unter die Augen treten.
    Gedankenversunken ging Loreena durch die Festung Tide. Den moosgrünen Umhang legte sie nicht ab, sondern schlug lediglich die Kapuze zurück. Ihr war kalt. Sie hatte viel zu verdauen. Die Lasterhaftigkeit, die in der Anwesenheit des Grafen von der Glut zur Flamme gewachsen war. Wie sollte sie mit ihren unkeuschen Gedanken umgehen? Ingrimm war keineswegs ein Volk von Traurigkeit, aber Loreena hatte keinen Gemahl und überhaupt nie viel Zuspruch erhalten, da sie die Tochter des Königs war und zudem volle Hüften hatte.
    Was sollte aus Ingrimm werden? Die Entscheidung ihres Vaters war besiegelt. Es gab kein Zurück. Es sei denn, sie wollten den Zorn Schomuls auf sich ziehen. Dies hätte zur Folge, dass Wor sterben und der Graf nicht länger mit einem Angriff warten würde. Die südliche Krisis zeigte sich geschwächter denn je. Immer wieder suchte sie nach einem Ausweg. Vielleicht gab es doch eine andere Möglichkeit. Möglicherweise war diese zu abwegig, als dass Loreena sie bisher in Betracht gezogen hatte. Oder die Lösung versteckte sich im Nebel der Verzweiflung. Sie grübelte und grübelte, ohne von einem Geistesblitz getroffen zu werden.
    „Wäre Lomas nur hier.“ Murmelnd betrat sie die Küche.
    „Was wäre dann, mein Kind?“
    Die rauchige Stimme brachte Loreena zurück in die Wirklichkeit. Ihr Blick klärte sich und sie sah Gamtam am Tisch sitzen. Mit ihrer Fülle, der Schürze und dem mit grauen Strähnen durchzogenem schwarzem Haar war die Köchin eine herbe Schönheit. Loreena schmunzelte.
    „Was zaubert ein Lächeln in deine Mundwinkel?“
    „Woher weißt du das?“, fragte sie erstaunt. „Es fasziniert mich immer wieder, dass du Kartoffeln schälst und keine einzige braune Stelle vergisst.“
    Die Köchin lachte laut. „Dieses Wunder sind alle hier in der Lage zu vollbringen.“
    „Aber die anderen sind im Besitz ihres Augenlichtes, Gamtam.“
    „Wohl wahr.“ Akribisch suchte sie im Korb nach der größten Kartoffel und begann sie zu bearbeiten. „Etwas bedrückt dich, Kind.“
    Niemand auf Tide hätte gewagt derart locker zu reden, aber Loreena konnte Gamtam nicht in ihre Schranken weisen. Zu viele Jahre hatte sie als Mädchen auf dem Schoß der Köchin gesessen, ihr beim Schälen der Möhren zugeschaut und hin und wieder ein Stück genascht. Loreena erinnerte sich an Stunden ihrer Kindheit, in denen sie ihre Mutter Rominda vermisste und Tränenbäche in Gamtams Schürze weinte. Wann immer Mädchen oder Jungen Loreena wegen ihrer Pausbacken hänselten, verjagte
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