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Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter
Autoren: Sandra Henke
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traf das Porträt seiner verstorbenen Ehefrau Rominda, fiel polternd auf den Steinboden und rollte dort aus. Als würde Rominda weinen, lief das Wasser in Schlieren das Bild hinab. „Ingrimm wird untergehen! Ein Land kann ohne Anführer nicht kämpfen. Ich werde in die Geschichte eingehen als König des Niedergangs. Ich habe die südliche Krisis ins Verderben regiert, doch ich werde Ingrimm retten.“
    „Koste es, was es wolle?“ Sarkastischer hätte ihre Stimme nicht klingen können.
    Er ignorierte ihre Frage. Mürrisch betrachtete er den Wasserfleck auf dem Gemälde. „Morgen wirst du nach Wölfing reiten und Graf Schomul auf der Wolfsburg besuchen.“
    Fassungslos starrte Loreena ihn an. Sie entschied, mit Vernunft auf ihn einzuwirken. Ihr Vater war zu schlau, um sich durch Wutausbrüche überzeugen zu lassen. „Vampire kämpfen nicht mit Schwert, Pfeil und Bogen. Sie wären schlechte Verbündete.“
    Wor legte sich wieder hin. Seine Tochter sprang auf, um ihm zu helfen, aber er schüttelte das Haupt. Verschwitzte Haarsträhnen flogen umher und blieben an seinen glühenden Wangen kleben. „Sie sollen nicht kämpfen, um Himmels Willen, Loreena! Kraft sollen sie mir schenken!“
    Sie schluckte. Schlimme Vorahnungen schnürten ihr die Kehle zu, während Tränen in ihre Augen schossen. Erschüttert setzte sie sich auf die Bettkante.
    „Nur ein gesunder König ist ein guter König. Ich kann das Heer nur in die Schlacht führen, wenn ich in der Lage bin aufrecht auf einem Pferd zu sitzen und zuzuschlagen. Mein Kind, dazu brauche ich Schomuls Biss.“
    „Nein, bitte, das Fieber verwirrt dich. Das kann dein Volk nicht von dir verlangen.“
    „Das kann es sehr wohl, aber es tut es nicht. Es ist meine Entscheidung. Ich würde selbst zum Grafen reiten, aber mein Körper ist zu schwach.“
    Loreena kämpfte mit den Tränen. Um sich abzulenken kaute sie auf den Spitzen des hüftlangen sandfarbenen Haarzopfs, der ihr über die Schulter hing. Eine Unart, die sie seit Kindheitstagen nicht abgelegt hatte. Sie wollte nicht weinen. Tränen würden Wors Herz brechen. Auch wenn er vorgab, er wäre zu allem bereit, bemerkte sie seine Unruhe, denn er räusperte sich nervös nach jedem Satz, den er von sich gab.
    „Du würdest einer von ihnen werden.“
    Er drehte sein Gesicht von ihr fort und starrte auf den Deckenleuchter, dessen Kerzen nur in der Hochzeitsnacht von Wor und Rominda und in der Nacht von Loreenas Geburt jemals angezündet worden waren. „Bitte Graf Schomul, mich mein Reich retten zu lassen. Ist Ingrimm in Sicherheit, begebe ich mich freiwillig in seine Hände.“
    „Er wird eine Gegenleistung verlangen.“ Loreena beobachtete voller Verzweiflung, wie sich Wors Finger in die Bettdecke krallten.
    „Wir können nur hoffen, dass es ihm reicht, den ingrimm’schen König vor ihm auf den Knien herumrutschen zu sehen. Es wird ihm eine große Genugtuung verschaffen. Mein Leben für das Leben Ingrimms.“
    Resignierend ließ Loreena den Kopf hängen. Sie murmelte etwas vor sich hin. Wor reagierte nicht. So hörte wohl nur die Spinne unterm Bett, die gerade ein Netz vom Pfosten zur Wand spannte, dass Loreena betete, die Purpurne Schriftrolle möge in den Köpfen der Vampire in Vergessenheit geraten sein.
    ~~~
    Bereits in der Morgendämmerung brach Loreena mit ihrer Leibgarde und zwei Gelehrten gen Valkenhorst auf. Die Fensterläden der Häuser waren noch geschlossen, als der Tross durch die Straßen der Hauptstadt Küstenmarks ritt. Raureif ließ die Wiesen vor den Toren silbrig glänzen. Die Vögel im nah gelegenen Wald Goblin stimmten ihr Weckkonzert an. Rasch trabte der Tross über die Ostgrenze. Kälte breitete sich in Loreena aus, als würde eine eisige Hand ihr Herz ergreifen. Fröstelnd zog sie den moosgrünen Samtumhang enger um ihren Körper. Das Land wurde karger. Anstelle von Birken und Buchen säumten Fichten und Kiefern den Weg. Der Graupel Wald löste Goblin ab. Schwere Wolken hingen dunkelgrau über den Baumwipfeln. Regen hatte die Straße zu einem einzigen großen Schlammloch gemacht. Hin und wieder drehte sich Loreena um. Sie spürte, dass sich Augen auf sie und ihre Leute richteten. Der Griff Schomuls wurde enger, je näher sie Wölfing kamen und Loreena fürchtete sich davor, seinem Einfluss zu erliegen.
    Nach einem halben Tagesritt passierten die Abgesandten Ingrimms die Granitmauern der Hauptstadt. Schwarz und glänzend türmten sie sich vor dem Corps auf. Loreena sah zum ersten Mal, seit sie das
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