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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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1

    Wyatt wartete darauf, einen Mann um fünfundsiebzigtausend Dollar zu erleichtern.
    Es war ein Freitagnachmittag im Frühling und Wyatt stand mit seinem Wagen in der Nähe eines Terrassenhauses in Mount Eliza, fünfundvierzig Minuten von der City entfernt, immer die Bucht entlang. Das Haus gehörte einem Hafenmeister des Port of Melbourne, bot einen Blick aufs Wasser, war aber architektonisch gesehen ein Albtraum — nicht dass es Wyatt interessierte, er hatte schon immer gewusst, dass Reichtum und ein Mangel an Fingerspitzengefühl zusammengehörten. Ihn interessierte nur das Geld.
    Bis jetzt war er mit fünfhundert in den Miesen, die Provision, die er Eddie Oberin für den Tipp in Sachen Hafenmeister gezahlt hatte. Nach Eddies Ausführungen waren die Hafenarbeitergewerkschaften mächtig, doch der Hafenmeister war es nicht minder. Es lag im Interesse aller Beteiligten, dass Schiffe festmachten, entladen und beladen wurden und so schnell wie möglich wieder in See stachen, aber einige Verzögerungen waren unvermeidlich — wenn ein philippinischer Seemann sich bei einem Sturz das Genick brach, zum Beispiel, oder eine Razzia durch den Zoll oder ein Streik. Und einige Verzögerungen gingen auf das Konto des Hafenmeisters: Drei- oder viermal im Jahr stellte er ein Schiff unter Quarantäne.
    Das Gehalt dieses Burschen war nicht schlecht, aber er hatte Ausgaben — Spielschulden, Unterhaltszahlungen und die Kosten für zwei Wohnungen. Ein Apartment nahe den Docks, wo er fünf Tage die Woche wohnte, und dieses Terrassenungetüm in Mount Eliza. Für den Blick über die Bucht hatte er eine Menge hingeblättert, die Raten für den Kredit fraßen ihn auf und deshalb stellte er von Zeit zu Zeit ein Schiff unter Quarantäne. Oder man konnte es auch als Erpressung bezeichnen: Sie zahlen mir fünfundsiebzig Riesen, Mr. Schiffseigner, und ich stelle Ihrem Schiff ein sauberes Quarantäneattest aus.
    Die Zeit verstrich, Wyatt wartete, und er dachte über Eddie Oberin nach. Eddie hatte einen passablen Bankräuber und Fahrer für Fluchtwagen abgegeben — einige Überfälle auf Genossenschaftsbanken, ein Lohnraub —, jetzt aber betätigte er sich hauptsächlich als Hehler und gehörte zu den Typen, die allerlei aufschnappten und das Gehörte verkauften oder anderweitig eintauschten. Fünfhundert Mäuse für etwas Geflüster ins richtige Ohr, dachte Wyatt.
    In diesem Moment erklomm ein Lexus die steile Garagenausfahrt des Hafenmeisterhauses, ein silberfarbener, stromlinienförmiger Wagen, so gänzlich anders als der blasse, schwitzende und mit Bier abgefüllte Mann darin, dessen fade Gesichtszüge wie eingepfercht im Zentrum eines großen, kahl werdenden Kopfes saßen. Wyatt war all das nicht neu, schließlich hatte er den Mann mehrere Tage beschattet, und alles an ihm sprach dafür, dass der Hafenmeister keine Gefahr sein würde. Es sei denn, er hätte heute Nachmittag einen harten Kerl als Beifahrer dabei.
    Hatte er nicht. Wyatt drehte den Schlüssel im Zündschloss des verbeulten Holden-Transporters, dessen Fahrer- und Beifahrertür mit dem Logo »Pete, der Maler« versehen waren, und folgte dem Lexus. Es gab tatsächlich einen Maler namens Pete, der momentan eine zweijährige Haftstrafe wegen Diebstahls absaß und nicht das genießen konnte, was Wyatt genoss: das Wasser der Bucht, glatt und schimmernd wie Eis, in der Ferne die Hochhäuser Melbournes — eine in Dunst gehüllte Traumlandschaft, die Sonne, deren Strahlen von den Windschutzscheiben der Autos zurückgeworfen wurden, die sich die Senken und Steigungen in Mount Eliza entlangmühten, die Aussicht, fünfundsiebzigtausend Dollar stehlen zu können.
    Jetzt fuhr der Hafenmeister Olivers Hill hinunter, dorthin, wo sich Frankston platt und desillusioniert an die Bucht schmiegte. Frankston war die Bestätigung der Ansicht, dass es nie genug Kommerz sein könne, doch es handelte sich um billigen, grellen, verpuffenden Kommerz, war diese Gegend doch eine mit hoher Arbeitslosigkeit und voller sozialer Spannungen. Rund um den Bahnhof hingen heruntergekommene Junkies ab, Scharen übergewichtiger Kauflustiger bevölkerten die Bürgersteige und sechzehn Jahre alte Mütter schleppten sich dahin; gierig eingeatmeten Zigarettenrauch im Mund, nötigten sie ihrem Nachwuchs Cola mit einem Schuss Beruhigungsmittel auf, um ihn gefügiger zu machen. Die Fast-Food-Läden machten ein Bombengeschäft und kleine Mädchen zahlten in einschlägigen Läden überhöhte Preise für
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