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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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Anforderungen genügte. Die Arbeit war einfach, die Bezahlung kümmerlich, aber für anspruchsvollere Aufgaben waren seine Nerven zu zerrüttet. Er war im Irak gewesen, hatte Männer schreckliche Tode sterben sehen und geglaubt, er könne der Nächste sein. Er hatte überlebt, war jedoch nicht als Held zurückgekehrt. Er war nicht einmal als Held dorthin gegangen. Nur der damalige Premierminister hatte das geglaubt.
    Le Page zählte eins und eins zusammen. Zwei Jahre hatte der Bote die beschissene Bezahlung und die Blasiertheit feister, verweichlichter Männer ertragen. Eines Tages dann war ihm mit absoluter Klarheit bewusst geworden, dass sein Weg ins Nichts führte, also hatte er seine Fühler ausgestreckt. Als Alexander, der Russe, Wind davon bekam, schickte er Le Page.
    Das war jetzt eine Woche her. Le Page erstattete Bericht, bekam grünes Licht von Alexander und kontaktierte den Mann. Der Kurier von Gwynn’s wollte keine Namen wissen, keine Details. Er wusste nur, dass es ihm fünfundzwanzigtausend Pfund einbrachte und vielleicht ein paar Schrammen und Blutergüsse, damit es für die Cops echt aussah.
    Es war Le Pages Absicht, es für die Cops richtig echt aussehen zu lassen.
    Er lungerte neben einem Zeitungskiosk herum und verfolgte, wie die Zielperson Gwynn’s betrat. Er wartete, überhörte das triste Klappern der Absätze von Büroangestellten auf dem Weg zur Arbeit. Dann tauchte der Bote wieder auf, angespannt sah er der Übergabe entgegen. Es war ein frischer Morgen im Herbst und Le Page erstach den Mann, ließ ihn sterbend zurück, zwischen Müllsäcken hinter einer Filiale von Waterstones, in deren Schaufenstern gedruckte Ratgeber für den schnellen Reichtum lagen.

    4

    Ma Gadd vertickte Waffen an Männer wie Wyatt.
    Sie wickelte ihre Deals in einem Blumenkiosk am Victoria Market ab. Ihr Verkaufsstand war keiner von den vielen behelfsmäßigen Marktständen auf der riesigen Freifläche des Marktes, wo Händler Obst und Gemüse, Kisten mit Socken, billigen Schmuck oder T-Shirts auf Bocktischen präsentierten und ihren Nachschub in ihren Toyota-Transportern aufbewahrten. Zu offen, zu gefährlich. Ma gehörte zu den alten Hasen, war eine der Glücklichen mit einer Marktbude, einem kleinen, abgeschlossenen Raum zwischen ähnlichen Buden entlang eines schmalen Ganges. Links von ihr bot ein Mann antiquarische Bücher an, rechts von ihr verkaufte eine Frau zahme Kaninchen, junge Katzen und Wellensittiche. Wollte jemand Blumen bei Ma Gadd kaufen, erschien er an ihrer heruntergeklappten Ladentheke und deutete auf die Blumen, die in den voll gestopften Eimern zu seinen Füßen oder im Bereich hinter Ma standen. Wollte man eine Waffe oder Munition, ging man nach hinten an die Tür. War man für Ma ein fremdes Gesicht oder kannte man weder die richtigen Leute noch den richtigen Spruch, dann war es das.
    Nicht Ma reagierte auf Wyatts Klopfen, sondern ein Typ um die dreißig, schlank, drahtig, einer, der eher durchtrieben als gescheit aussah. Seine tätowierten Unterarme spannten sich. »Ja?«
    »Ist Ma da?«
    »Wer will das wissen?«
    »Ist Ma da?«, wiederholte Wyatt.
    Der Typ kniff leicht die Augen zusammen. Wyatt durchschaute ihn sofort: Knasterfahrung — Erwachsenenvollzug, vielleicht auch Jugendstrafe — und jetzt gehörten Misstrauen und Streitlust zu seinen natürlichen Eigenheiten. Wyatt fragte sich, ob Ma observiert werde, und war im Begriff, den Rückzug anzutreten.
    »Wie ich sehe, hast du Bekanntschaft mit meinem Neffen gemacht«, ertönte die Stimme einer alten Walküre. »Lass dich nicht von ihm vergraulen.«
    Hinter dem Neffen erschien eine hünenhafte Gestalt: Gesichtsbehaarung, Overall, Ausmaße wie ein großer Tank. Ob Sommer oder Winter, Ma trug stets einen Schal des Collingwood Football Clubs um den Hals und dazu eine spöttische Miene zur Schau. Die Zigarette in ihrem Mund wippte unter dem keuchenden Atem und die Augen über den aufgeblasenen Wangen erinnerten an zerbrochene Knöpfe. Sie war hässlich und sah aus, als wäre sie kurz vor dem Abtreten, wie immer. Wyatt hatte nur einmal bei ihr gekauft, eine Glock, doch das war zwölf Jahre her und diese Jahre waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. In der Zwischenzeit hatte Ma jede Menge anderer Kunden gehabt und dennoch erkannte sie Wyatt sofort.
    »Ma.«
    »Hab gehört, dass du wieder im Lande bist. Arbeitest mit Eddie Oberin, stimmt’s?«
    Wyatt fluchte innerlich. Es gefiel ihm nicht, wenn irgendjemand irgendetwas über ihn wusste.
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