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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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Aber in diesem Spiel war immer einer beeindruckt oder pikiert und vermochte seine Klappe nicht zu halten. Wyatt konnte niemals völlig von der Bildfläche verschwinden. Momentan sowieso nicht. Er wollte nur einen großen Job durchziehen und wieder untertauchen.
    »Willst du was kaufen?«, fragte Ma.
    Die ganze Zeit über trat der Neffe von einem Bein aufs andere, als hoffe er, endlich auf jemanden einprügeln zu können; ein Eindruck, den sein Haar unterstrich, das in Büscheln in alle Himmelsrichtungen wies. Vermutlich das Werk eines Friseurs, doch für Wyatt sah es aus, als hätte der Typ versucht, sich die Haare auszureißen. »Ty«, sagte Ma, »kümmer dich um den Laden. Ich hab mit Wyatt was Geschäftliches zu bereden.«
    Wyatt holte tief Luft, aber es war zu spät. Dieser Ty war sofort alarmiert. Sein Kiefer klappte herunter. »Das ist Wyatt?!«
    »Tyler«, sagte Ma, als sie bemerkte, dass Wyatt dichtmachte.
    »Ja, ja, schon gut«, sagte Ty, bemüht, gleichgültig und nicht ehrfürchtig zu wirken.
    »Mein Neffe, was soll man da machen?«, meinte Ma.
    Wyatt hatte weder Interesse an Ma oder ihrer Familie noch an irgendjemandem sonst. »Was hast du im Angebot?«
    »Ich schließe gleich.«
    Der gesamte Markt war kurz davor, zu schließen. Händler priesen Sonderangebote an, versuchten, ihre letzten Tomaten und Kohlköpfe loszuschlagen. Rollläden rasselten herunter. Jede Menge Kunden — Studenten aus der Innenstadt, Akademiker, Yuppies, Künstler, junge Fachkräfte und Immigranten — machten sich auf den Weg nach Hause. Wyatt sagte: »Bis tausend kann ich gehen.«
    Ma strahlte und bewegte ihre Massen von der Tür weg. »Komm rein.«
    Ihr Lagerraum war eng und dunkel, ein Ort mit Düften in der Luft und voller Blumen, die bündelweise in Eimern mit Wasser standen. »Hier«, sagte sie und knipste die Blüte einer Rose ab. Die Blütenblätter waren bereits etwas schlapp und Wyatt fing einen Hauch von Verfall ein.
    Der auch von Ma hätte ausgehen können. Es gab einen Haufen anderer Gerüche in diesem voll gestopften Raum. »Na dann schau’n wir mal«, keuchte sie, schob Pappkartons zur Seite und nahm einen Packen Einwickelpapier hoch, um an eine Metalltruhe zu gelangen. Der mächtige Oberkörper versperrte Wyatt die Sicht, als Ma an dem Kombinationsschloss herumfummelte und schließlich den Deckel öffnete.
    »Such dir eine aus«, sagte sie und trat zur Seite.
    Tyler kam herein und jetzt konnte sich in dem Raum niemand mehr rühren. »Hast du abgeschlossen?«, fragte Ma.
    »Jo.«
    »Die Kasse leer gemacht?«
    »Jo.«
    »Wenn du willst, kannst du jetzt nach Hause gehen, Schatz.«
    Doch Tyler behielt Wyatt im Auge. Der Neffe war ein unsympathischer Typ, getrieben von Impulsen und negativen Gefühlen, die er vermutlich nicht hätte benennen können, die Wyatt jedoch erkannte: Neid, Konkurrenzdenken, Verfolgungswahn, Hass. Ein geringes Selbstwertgefühl, im Clinch mit einem Ego, das unberechtigterweise riesengroß war.
    »Jetzt noch nicht«, sagte Tyler zu seiner Tante.
    »Wie du willst, Schatz.«
    Unter Ächzen nahm Ma einen Einsatz heraus, auf dem Pistolen und Revolver lagen. Wyatt beobachtete sie und fragte sich, was um alles in der Welt sie bewog, ihren Neffen in ihre Nebengeschäfte einzuweihen. Er schrieb es der blinden Liebe zur Familie zu. Er hatte sie nie selbst erlebt, wusste aber, dass es so etwas gab.
    »Du willst ’n Ding drehen«, sagte Tyler so provokant, als hätte er von den legendären Beutezügen gehört, sich aber nicht davon beeindrucken lassen.
    Wyatt beachtete ihn nicht, sondern sah sich die Waffen an. Ma bewahrte sie geölt in Plastiktüten auf: zwei kurzläufige Revolver Kaliber 38, einen .357er Magnum, eine .32er Automatik, eine, wie er sie in Frankston hatte zurücklassen müssen, und eine schlanke Pistole, die sein Interesse weckte.
    Ma nickte. »Hübsch«, schnurrte sie mit ihrer von Zigaretten und Whisky geschwängerten Stimme. »Gute Mannstoppwirkung.«
    Tyler trat wieder von einem Fuß auf den anderen. »Was denn für ’n Ding? ’ne Bank? Gepanzerter Wagen? Ich kenn da diese Genossenschaftsbank in Geelong, scheiß auf die Sicherheitsleute, in zwei Minuten sind wir da rein und wieder raus, Maximum.«
    »Darf ich?«, fragte Wyatt.
    »Tu dir keinen Zwang an«, erwiderte Ma.
    Es sprach einiges für diese Pistole, eine Steyr GB 9mm. Wyatt zog sie aus dem Beutel und hob sie an. Ungeladen wog sie etwas weniger als ein Kilo und das Magazin mit seinen achtzehn Schuss plus der einen
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