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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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bevor er die Spitze der Steigung erreicht hatte, ging er links in eine Gasse, die an der Rückseite der Zentrale einer Bank entlangführte, und schließlich ein paar mit Pissflecken verunzierte Stufen hinunter und betrat die schmuddelige Souterrainwerkstatt eines Uhrmachers, bei dem er ein Schließfach gemietet hatte. Der Besitzer war noch derselbe, nur eben etwas älter geworden und kurzsichtiger, gebückter, mit zerkratzter, verschmierter Brille und Händen, die aussahen wie ein Flickwerk aus Rissen, Kratzern, Knochen und gegerbter Haut. Er erkannte Wyatt wieder, auch nach all den Jahren.
    Wyatt verließ die Werkstatt mit seinen letzten fünftausend Dollar.

    5

    Le Page nahm den nächsten Zug von der Waterloo Station nach Paris, Tragetaschen von Harrods in der Hand und die Papiere in einem Pappzylinder des Souvenirladens der National Gallery. Er hasste diese Bahnfahrt, so eingezwängt unter dem Ärmelkanal.
    Gegen Mittag an diesem Freitag mietete er ein Zimmer in einer kleinen Pension nahe den Tuilerien. Einer von Alexanders Gorillas kam wegen der Papiere vorbei, knurrte nur: »Er trifft Sie morgen«, aber in Alexanders Geschäftswelt wusste die rechte Hand nicht, was die linke tat, also folgte Le Page dem Gorilla und observierte Alexanders Apartment. Im Laufe des Nachmittags beobachtete er, wie ein Mann und drei Frauen eintrafen und das Haus wieder verließen, getrennt und mit Aktenkoffern in der Hand. Le Page heftete sich dem letzten weiblichen Kurier an die Fersen, verfolgte sie bis zum Abflugbereich des Flughafens und sah, dass sie an Bord einer Maschine nach Toronto ging. Er vermutete, dass die anderen Kuriere Ziele wie die Vereinigten Staaten, Südafrika und Süd- oder Lateinamerika angesteuert hatten.
    Le Page kehrte zurück in seine Pension und hatte reichlich Zeit totzuschlagen. Er ließ seinen Laptop hochfahren und verschaffte sich einen Überblick über die neuesten Nachrichten im Netz. Ein Video zeigte eine Pressesprecherin von Gwynn’s, die dick auftrug und ihr Bedauern über den Tod des Mannes zum Ausdruck brachte — und Verwirrung, schließlich habe der Bote lediglich Hypothekenbriefe dabeigehabt. Eine dieser unerklärlichen Tragödien, sagte sie, ein spontaner Raubüberfall, der entsetzlich schiefging.
    Die Geschichte wäre vielleicht im Sande verlaufen und der Dreizeiler unten auf Seite fünf des Evening Standard geblieben, hätte der Exsoldat nicht etwas mit einer Angestellten aus der Sicherheitsabteilung angefangen, die wusste, wann Dinge unter den Teppich gekehrt wurden. Empört darüber, dass ihr Freund Gefahr lief, Teil der Statistik zu werden, steckte sie der Presse, dass er zweihundert Millionen Pfund in Inhaberobligationen in Form von Einlagenzertifikaten und Schatzanweisungen der Bank of England bei sich gehabt hatte.
    Gwynn’s murrte zwar und beklagte sich, lehnte es aber ab, zu bestätigen oder zu dementieren. Le Page verzog den Mund. Er wusste, wie es laufen würde. Die Bank würde am Markt bleiben, immerhin gab es Gwynn’s seit 1785, und außerdem tritt man niemanden, der bereits am Boden liegt.
    Am nächsten Morgen gegen zehn Uhr ließ Alexander ihn mit dem Wagen abholen. Der Russe gab sich unterkühlt und weltgewandt, sein Apartment hingegen war warm, voller Ikonen und Samoware. Kaffee, eine gelangweilt geführte Unterhaltung, dann überreichte Alexander ihm einen Stapel Effekten in einem braunen Briefumschlag. »Das werden Sie nächste Woche meinen Leuten in Mexico City übergeben.«
    »Nicht jetzt?«
    »Fahren Sie nach Hause. Ruhen Sie sich aus. Sie haben es sich verdient.«
    Le Page fuhr mit dem Taxi zum Flughafen Charles de Gaulle. Auf der Herrentoilette verschaffte er sich einen Überblick über die Wertpapiere. Sie beliefen sich insgesamt auf einen Wert von fünfundzwanzig Millionen Pfund, in Nennwerten von hunderttausend bis zu fünf Millionen Pfund. Verglichen mit dem, was die anderen Kuriere mit sich führten, ein Taschengeld, vermutete Le Page. Während des Fluges dachte er darüber nach. Sein Haus lag in der Nähe von Toulouse, eigentlich nur ein Katzensprung Richtung Süden, dennoch flog er über Frankfurt. Er holte seinen BMW ab und fuhr nach Boussac, in die zwei Stunden entfernte Ortschaft im Südwesten, wo sich die gewundene Straße irgendwann zwischen den Schatten der Berge und den einfallenden Sonnenstrahlen hindurchschlängelte. Eine Welt der terrassierten Felder, der Mauern aus Gesteinen, der Wanderer und bimmelnden Schafsglocken, der Hühner, die entlang der
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