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Die Zeit der Androiden

Die Zeit der Androiden

Titel: Die Zeit der Androiden
Autoren: A. E. van Vogt
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Die Doppelgänger
     
1.
     
    Für Edith Price war der gut gekleidete junge Mann, der in ihre Bücherei kam, typisch für die Sommerurlauber, die jedes Jahr in Harkdale erschienen. Sie lebten abseits von den Einheimischen, zu denen sie jetzt gehörte. Sie schrieb seinen Namen auf – Seth Mitchell, und weil sie vermutete, daß er einen befristeten Leserausweis wollte, schob sie ihm ein Formblatt über den Tisch.
    Erst als er es ungeduldig zurückstieß, hörte sie wirklich auf das, was er sagte.
    »Ach so«, sagte sie dann verdutzt. »Sie wollen einen Kristall?«
    »Genau«, sagte er. »Ich möchte, daß man mir einen kleinen Stein zurückgibt, den ich vor Jahren Ihrer Museumssammlung hier überließ.«
    Edith schüttelte ihren Kopf. »Das tut mir leid. Der Museumsraum mit der Gesteinssammlung wird zur Zeit neu geordnet. Er ist für die Öffentlichkeit geschlossen. Ich glaube nicht, daß vor der Wiedereröffnung etwas zu machen ist, und selbst dann wird Miß Davis, die Leiterin der Bücherei, ihre Erlaubnis geben müssen. Und sie hat heute ihren freien Tag, so daß Sie nicht einmal mit ihr sprechen können.«
    »Wie lange wird diese Neuordnung dauern?«
    »Oh, mehrere Wochen, nehme ich an«, sagte Edith leichthin.
    Die Wirkung ihrer Worte auf den Mann – einen so selbstsicher und erfolgreich wirkenden Typ, wie sie ihn in New York oft gesehen hatte, aber kaum in Harkdale – war verblüffend. Er erbleichte, murmelte etwas Unverständliches, und als er sich abwandte, war es, als sei er von einem unvermuteten Schicksalsschlag getroffen worden.
    Es gehörte nicht zu Ediths Gewohnheiten, den Büchereikunden nachzustarren. Aber seine Reaktion war so extrem, daß sie ihn beobachtete, als er mit unsicherem Schritt zur Tür ging. Am Eingang gesellte sich ein gedrungener, stämmiger Mann zu ihm. Die zwei sprachen kurz miteinander und gingen zusammen fort. Augenblicke später sah Edith durch ein Fenster, wie sie in einen nagelneuen Cadillac stiegen. Seth Mitchell schob sich hinter das Lenkrad.
    Der teure Wagen und die Tatsache, daß noch ein anderer Mann beteiligt war, schienen dem an sich unbedeutenden Vorfall Wichtigkeit zu verleihen. Edith erhob sich von ihrem Stuhl, gab ihrer Kollegin Miß Tilsit ein unmißverständliches Zeichen und nahm den Schlüssel zur Damentoilette vom Wandhaken – wobei sie unauffällig den Schlüssel zum Museumsraum in ihrer Hand verschwinden ließ.
    Eine halbe Minute später untersuchte sie die ausgestellten Steine.
     
    Es waren insgesamt etwa dreißig Steine ausgestellt – Zufallsfunde aus der näheren und weiteren Umgebung Harkdales –, und wie ein Schild verkündete, war die Sammlung von enthusiastischen Schülern zusammengetragen worden. Edith Price hatte bald den Stein gefunden, den der Mann gesucht hatte; er lag unter einer verblaßten Karte mit der Aufschrift: »Schenkung von Seth Mitchell und Billy Bingham.«
    Sie schob die gläserne Deckplatte des Ausstellungstischs zur Seite, langte hinein und nahm den Stein an sich. Er war ungefähr acht Zentimeter lang, drei Zentimeter breit und an der dicksten Stelle vielleicht zwei Zentimeter stark; ein bräunlicher Brocken, der, obschon an einigen Stellen angeschliffen, das Licht nicht gut reflektierte. Es war der bei weitem unscheinbarste Stein der Sammlung.
    Als sie das offensichtlich wertlose Stück zwischen den Fingern drehte, kam ihr ein Gedanke: Ich könnte ihm den Stein nach der Arbeit ins Hotel bringen und das ganze Hin und Her mit der Ziege vermeiden.
    Damit war Miß Davis gemeint.
    Sie entfernte das Etikett mit den Namen der Stifter aus dem Schaukasten. Nach all den Jahren hatte der Klebstoff sich zersetzt und haftete nicht mehr gut, und das vergilbte Papier ließ sich leicht ablösen. Sie war im Begriff, den Stein in die Tasche zu stecken, als sie bekümmert erkannte, daß sie das Kleid ohne Taschen anhatte.
    Verflixt! dachte sie.
    Weil der Stein etwas zu groß war, um ihn in der Hand zu verbergen, trug sie ihn durch den Korridor zur Toilette, um ihn dort irgendwie im Büstenhalter oder Strumpfgürtel unterzubringen. Dann sah sie den Papierkorb und bemerkte, daß jemand einen zerbrochenen Blumentopf hineingeworfen hatte, der noch halb voll Erde war. Daneben lag ein brauner Papierbeutel.
    Ein paar Sekunden später hatte sie den Stein in den Beutel gesteckt, die Erde daraufgeschüttet und den Beutel wieder in den Papierkorb gestopft. Gewöhnlich war es ihre Aufgabe, das Gebäude abzuschließen, und so würde es kein Problem sein, den
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