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Die Zeit der Androiden

Die Zeit der Androiden

Titel: Die Zeit der Androiden
Autoren: A. E. van Vogt
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lassen können, als ich ihn anschrie? Was sonst als der Stein?«
    Edith dachte unbehaglich, daß dies ein Problem für einen Psychiater sei, und nicht für eine Bibliothekarin. Ohne Zweifel wäre es die einfachste Lösung, diesem Seth Mitchell den wertlosen Stein zu geben, den er wollte.
    Je eher sie den Stein in ihrer Küche loswurde, desto besser.
    »Wenn Sie mir Ihre Adresse geben wollen«, sagte sie freundlich, »dann werde ich mit der Leiterin sprechen und sehen, was wir für Sie tun können. Aber nehmen Sie das Geld bitte zurück. Wenn wir den Stein finden, sollen Sie ihn auch so wiederhaben.«
    Die Adresse, die er ihr nannte, war irgendwo zwischen Harkdale und Abbotsville.
    Sie sah ihm gedankenvoll nach, als er mit schleppendem Schritt zur Tür und hinaus ging.
    Auf dem Heimweg von der Arbeit fuhr Edith am Motel vorbei. Der golden schimmernde Cadillac war fort.
    Gut, dachte sie erleichtert. So ist diese kleine Verrücktheit ausgestanden.
     
    Sie machte sich ihr gewohntes spätes Abendessen. Dann, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß die Wohnungstür abgeschlossen und der Küchenvorhang zugezogen war, zog sie den Papierbeutel unter der Spüle hervor – und bemerkte, daß der Beutel leichter geworden war. Es schien weniger Erde darin zu sein.
    Eine momentane Angst überkam sie, daß der Stein verschwinden sein könnte. Sie breitete hastig eine Zeitung aus und leerte den Beutel mit Erde und allem darauf aus. Dann starrte sie auf das funkelnde, glitzernde Ding, hob es verwundert auf.
    »Aber das ist doch nicht möglich«, flüsterte sie. »Das war ein stumpfer, glanzloser Stein. Und jetzt – jetzt ist er einfach herrlich!«
    Sie hob den Kristall gegen das Licht – und sah, daß eine Zeichnung oder ein Muster im Inneren war.
    Jemand hatte eine Darstellung des Sonnensystems in das Innere des Kristalls geschnitten oder geätzt. Es schien Edith, daß das rote und purpurne Farbenspiel des ganzen Kristalls von der winzigen Sonne und ihren Planeten auszugehen schien, aber das konnte eine optische Täuschung sein.
    Während sie die Umrisse des Sonnensystems gegen das Licht der Küchenlampe beobachtete, kam ihr ein phantastischer Gedanke, daß der Kristall magische Kräfte haben könnte, und mit plötzlicher Entschlossenheit sagte sie mit einer lauten und klaren Stimme: »Billy Bingham – den Jungen; ich will ihn zurückgeholt haben – jetzt!«
    In der Stille, die auf ihre Worte folgte, kam sie sich zunehmend albern vor.
    Vom lange vermißten Billy war nirgendwo ein Zeichen zu entdecken.
    Gott sei Dank! dachte sie atemlos.
     
    Am folgenden Morgen stand Edith früher als sonst auf; ihr Entschluß stand fest. Es war höchste Zeit, daß sie sich eines Gegenstandes entledigte, der ihre Vernunft zu untergraben drohte.
    Als sie den Kristall aufhob und betrachtete, sah sie, daß die Darstellung in seinem Innern eine andere geworden war. Jetzt war ein menschlicher Körper zu sehen, dessen Umrisse in purpurnen und roten Lichtpunkten nachgezeichnet zu sein schienen.
    Wie sie jedoch bei genauerem Hinsehen entdeckte, war die winzige Gestalt tatsächlich äußerst detailliert und zeigte das Knochengerüst und die wichtigsten Organe. Es gab sogar noch feinere Strukturen, die an ein dünnes Geflecht aus Spinnweben erinnerten und vielleicht Blutkreislauf und Nervensystem darstellen sollten.
    Sie untersuchte das seltsame Bild im Kristall, doch wie es entstanden war, blieb ihr ein Rätsel.
    Entschlossen tat sie den unheimlichen Stein in eine kleine Schachtel, füllte sie mit Erde auf – Kristalle, so hatte sie einmal gelesen, brauchten Nährstoffe –, verpackte die Schachtel und adressierte sie an Seth Mitchell, Rural Route 4, Abbotsville.
    Kurz darauf fuhr sie zum Postamt. Erst als sie das Päckchen aufgegeben hatte, wurde ihr klar, daß sie wieder impulsiv gehandelt hatte. Zu spät kam der Gedanke, was sie tun solle, wenn Seth Mitchell der Bücherei einen Dankesbrief schreiben würde. Unmöglich könnte sie erklären, was sie bewogen hatte, den Kristall zu stehlen … Unglücklich überlegte sie, wie Miß Davis die Niederlage der Collegeabsolventin genießen würde, die ihr vom Stadtrat aufgezwungen worden war.
    Es war ein deprimierender Augenblick. Sie hatte das Gefühl einer endlosen Serie von ähnlich falschen Entscheidungen in ihrem Leben.
     
    Edith saß bereits an ihrem Schreibtisch in der Leihbücherei, als Miß Tilsit mit diesem Gesichtsausdruck hereinkam. In den sechs Monaten in Harkdale hatte Edith ihre Kollegin
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