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0764 - Zeit der Grausamen

0764 - Zeit der Grausamen

Titel: 0764 - Zeit der Grausamen
Autoren: Jason Dark
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Es hatte sich geduckt, als könnte es so den schlimmsten Massen entgehen, das war nicht möglich. Es gab keine Lücke, und die Fliehende spürte jeden aufprallenden Tropfen wie einen Trommelschlag.
    Das Wetter machte blind. Auch der Mensch mit den besten Augen wäre nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Konturen auszumachen. Alles verschwamm in einem weichen Grau. Es gab keine Häuser mehr, keine Büsche, keine Straßen, keine Wege, es gab nur den trommelnden Regen und den gewaltigen Donner, der über die Stadt hinwegfegte wie das fürchterliche Gericht eines mächtigen Dämons.
    Dazwischen zuckten die Blitze wie schnell geworfene Pfeile auf. Auch sie rasten hinein in den Regen, erhellten ihn an gewissen Stellen und schufen dabei Bilder und Szenen von schauriger Schönheit. Jeweils für eine winzige Zeitspanne sah die Umgebung der aufzuckenden Blitze aus, als sollte sie fotografiert werden, bis dann die Dunkelheit wieder zusammensank und alles verschluckte.
    Eine fürchterliche Nacht brach an. Ein Feuerwerk entfesselter Naturgewalten, das schon einem Weltuntergang gleichkam.
    Aber - das Wesen freute sich.
    So konnte es sicher sein, nicht so schnell entdeckt zu werden, und es fürchtete sich auch nicht davor, die Straße zu erreichen, die den kleinen Wohnpark an der Nordseite begrenzte.
    Dort blieb es stehen.
    Plötzlich war wieder einiges anders geworden. Zwar blieb das Wetter gleich, doch aus Erinnerungsvermögen der Vogelfrau stieg allmählich etwas an die Oberfläche hervor, das sich zu einem Begriff, einem Namen zurechtformte.
    Helen Kern!
    Der Regen rauschte, er trommelte auf sie und auf die nähere Umgebung nieder, und wieder dachte sie an den Namen.
    Helen Kern!
    Wer war diese Person? Warum fiel sie ihr jetzt ein?
    Helen Kern - ein Name, der Name einer Frau. Sie mußte etwas Besonderes sein.
    Weg, vorbei. Als hätte der herabströmende Regen das Erinnerungsvermögen des Wesens gelöscht.
    Die Vogelfrau veränderte sich. Plötzlich spürte sie wieder ihre Umwelt, stand da wie auf dem Sprung und spürte die Kälte auf ihrem Rücken wie blankes Eis.
    Sie mußte weg. Sie durfte nicht länger bleiben, denn überall lauerten Gefahren.
    Hier an dieser Stelle huschten sie vorbei, denn sie hielt sich am Rand einer Straße auf, die ebenfalls eingepackt war in dichte Wasserschleier, doch aus diesem rauschenden, eintönigen Grau hörte sie bestimmte Geräusche.
    Sie sah auch Lichter, zitterndes Blendwerk, vom Regen verwaschen, das auf sie zuhuschte.
    Autos fuhren heran.
    Erreichten sie.
    Rauschten vorbei wie Schatten, Wasserfontänen hinter sich herziehend, die sich mit dem herabfallenden Regen vermischten.
    Die Vogelfrau fror. Sie zitterte. Die rechte Seite, wo das Gefieder wuchs, sah aus wie lackiert. Es lag angeklatscht an ihrem Körper, vom Kopf bis hin zum Fuß. Wasser rann darüber hinweg, klatschte als Sturzbach zu Boden und schäumte dort weiter in irgendeinen Rinnstein.
    Sie wollte weiter. Nach vorn gehen, auf keinen Fall mehr zurück, nicht mehr nach hinten, auch nicht zur Seite. Da blieb ihr nur die Möglichkeit der Straßenüberquerung, wobei sie hoffte, dem Schatten mit den hellen Augen entkommen zu können.
    Sie duckte sich, aber sie traute sich nicht. Das breite Band der Straße war so eng, sie kannte nicht einmal das Wort dafür, es war feindlich, mehr auch nicht.
    Die Vogelfrau zitterte. Sie duckte sich dabei noch tiefer, ohne die Angst abschütteln zu können, und der Regen rauschte weiter mit einer gleichmäßigen Wucht.
    Er hämmerte auf den Boden. Aus den Tropfen wurden lange Fäden, die beim Aufprall wieder zurückgeschleudert wurden und sich mit dem nachfolgenden Wasser vereinigten.
    Ein Blick aus zwei verschiedenen Augen über die Straße hinweg. Das eine war menschlich, das andere nicht. Es gehörte einem Vogel und hatte keine Brauen. Mit dem Eulenauge sah man schärfer, besonders in der Dunkelheit. Die Regenschleier waren jedoch nicht zu durchdringen.
    Sie konnte nicht hier stehenbleiben. Noch schützte sie das Unwetter, aber es würde weiterwandern, und dann würde die Sonne versuchen, wieder ihre Strahlen auf den Boden zu schicken.
    Sie schaute nach links und sah das verschwommene Licht. Es lockte sie, und an die Gefahr dachte sie nicht mehr. Sie handelte nicht wie ein Mensch, sondern ließ sich mehr vom Instinkt leiten.
    Die Vogelfrau duckte sich noch einmal. Sie holte Schwung und Kraft, dann startete sie.
    Fuß und Kralle berührten die Fahrbahn, wobei der Fuß in eine Pfütze geriet und
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