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Die Zeit der Androiden

Die Zeit der Androiden

Titel: Die Zeit der Androiden
Autoren: A. E. van Vogt
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gut genug kennengelernt, um zu wissen, wann sie Neuigkeiten brachte.
    »Hast du schon die Zeitung gelesen?« fragte Miß Tilsit triumphierend.
    »Nein«, sagte Edith.
    »Erinnerst du dich, daß du mich nach einem Mann namens Seth Mitchell fragtest?«
    Edith erinnerte sich nur zu gut, aber sie setzte eine leere Miene auf, als müsse sie erst nachdenken, wer gemeint sei.
    Miß Tilsit entfaltete den »Harkdale Inquirer«, das vierseitige Lokalblatt, und hielt die Titelseite hoch. Die Schlagzeile lautete: BILLY BINGHAM GEFUNDEN?
    Edith streckte die Hand aus, und Miß Tilsit gab ihr die Zeitung. Edith las:
    Ein etwa zwölfjähriger Junge wankte gestern abend kurz nach zweiundzwanzig Uhr aus dem Wald nahe Lake Naragang und versuchte das Haus zu betreten, wo Billy Bingham vor fünfundzwanzig Jahren gelebt hatte. Der gegenwärtige Besitzer des Hauses, Zimmerermeister John Hildeck, brachte den verwirrten Jungen zur Polizeistation. Von dort wurde er zum Krankenhaus transportiert.
    Weiter kam Edith nicht. Ihr Oberkörper kippte vorwärts, ihre Arme baumelten schlaff. Im nächsten Moment klappte der Boden hoch und schlug hart in ihr Gesicht.
    Als sie auf der Couch im Nebenraum erwachte, war die Erinnerung noch immer da, klar und hart und unwahrscheinlich, wie sie dem Kristall befohlen hatte, Billy Bingham zurückzubringen. Und es war am Vorabend zwischen neun und zehn Uhr gewesen.

 
4.
     
    In Miami.
    Der Seth Mitchell in dieser Stadt hatte ein privates Vokabular, in dem er Gott, das Schicksal oder die Natur (diese Begriffe bezeichneten für ihn dasselbe) den »großen Musikanten« nannte. In dieser exklusiven Terminologie war sein Leben eine Sinfonie.
    Er hatte Geld, Mädchen, eine fabelhafte Karriere als Spielautomatenbesitzer und Buchmacher am Rand der Unterwelt – alles ohne Einschränkungen, denn sein Orchester war diszipliniert und folgte seinem Taktstock. Nicht schlecht für einen Kleinstadtjungen, der die Melodien der großen Welt erst als Zwanzigjähriger gelernt hatte.
    Aber nun hatte der große Musikant plötzlich eine dissonante Note anklingen lassen.
    Mitchell hielt den »Harkdale Inquirer« in seiner Hand, die Nummer mit dem Bericht über Billy Binghams Rückkehr.
    Er studierte das grob gerasterte Foto eines ängstlich aussehenden Jungen, der wirklich etwa zwölf Jahre zu zählen schien. Er sah wie Billy Bingham aus, und auch wieder nicht. Mitchell war überrascht, daß er nicht sicher war. Der »Inquirer« bedauerte, daß er kein Foto vom richtigen Billy habe auftreiben können, und erklärte, daß Billys Eltern schon vor langer Zeit aus Harkdale fortgezogen seien – nach Texas, wie manche Leute meinten. Niemand wußte Genaueres.
    Der Zeitungsbericht schloß: »Die einzige andere Person, die den Jungen wahrscheinlich identifizieren, beziehungsweise seine Behauptung nachprüfen könnte, ist Seth Mitchell, Billy Binghams Jugendfreund. Mitchells gegenwärtige Adresse ist unbekannt.«
    Mitchell dachte sarkastisch: Der »Inquirer« sollte mal seine Abonnentenliste durchsehen.
     
    Der nächste Tag.
    Als er Zimmer 312 des städtischen Krankenhauses von Harkdale betrat, sah er den Jungen in einem Bett rechts von der Tür. Billy legte ein Magazin aus der Hand und blickte ängstlich zu dem Besucher auf. Mitchell sagte mit freundlichem Lächeln: »Billy, du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich bin als dein Freund hier.«
    Der Junge sagte mit unsicherer Stimme: »Das hat der große Mann auch gesagt, und dann wurde er böse.«
    Mitchell fragte nicht, wer der große Mann gewesen sei. Er zog einen Stuhl neben das Bett, setzte sich und sagte freundlich: »Billy, was mit dir geschehen zu sein scheint, klingt beinahe wie eine Märchengeschichte. Aber wichtig ist vor allem, daß du dir keine Sorgen machst.«
    Billy biß auf seine Unterlippe, und eine Träne rollte über seine Wange. »Sie reden und behandeln mich hier, als ob ich lügen würde. Der große Mann sagte, daß ich ins Gefängnis käme, wenn ich ihnen nicht die Wahrheit sagen wollte.«
    Mitchell dachte zurück an die Tage, als er von genauso ungeduldigen und herrischen Typen über Billys Verschwinden verhört worden war. Er sagte: »Nichts wird dir passieren, solange ich ein Wort mitzureden habe. Aber ich möchte dir gern ein paar Fragen stellen, an die vielleicht sonst keiner gedacht hat. Du brauchst nicht zu antworten, wenn du nicht willst. Wie findest du das?«
    »Gut.«
    Mitchell nahm das für grünes Licht. »Kannst du dich erinnern, was für Kleider Seth
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