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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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bewältigt wurde, was Zeit kostete, gleichzeitig jedoch Gelegenheit bot, das Terrain kennenzulernen, Fallen auszumachen und Hinterhalte. Unablässig suchte er die Gegend mit den Augen ab, sein Blick verweilte dabei nie zu lange auf einem Punkt, andernfalls entginge ihm die Bewegung, das Objekt oder die Person, die den Tod bringen konnten. Wyatt spitzte die Ohren, und wann immer ein Geräusch ihn beunruhigte, fuhr er herum und spürte ihm nach, mit allem, was ihm zur Verfügung stand: Augen, Ohren, Nase und dazu die Hand an der Waffe. Er wusste, dass die eine Sekunde Verzögerung zwischen dem Ausmachen des Ziels und der Ausrichtung seiner Waffe die Sekunde sein könnte, die ihn tötete.
    Dennoch war Le Page in vielerlei Hinsicht im Vorteil. Da Wyatt in Bewegung war, hatte er seine Deckung aufgegeben, dabei besagte seine Faustregel, dem Gegner den ersten Zug zu überlassen, den ersten Fehler. Würde er sich versteckt halten, bestünde die Möglichkeit, dass Le Page unter Druck geriete, aus seiner Deckung käme und sich über das offene Gelände näherte, das nur wenig oder gar keinen Schutz bot, aber was, wenn Le Page ein Mann gleichen Kalibers war, darauf vorbereitet, ewig zu warten? Wyatt begriff, dass es diesmal besser war, in die Offensive zu gehen. Besser war, Le Page aufzuscheuchen, als zu warten oder mit zu viel Bedacht vorzugehen und Le Page so Zeit und Gelegenheit zu geben, ihm, Wyatt, zuvorzukommen, ihn zu überlisten, sich zurückzuziehen oder ihn von hinten anzugreifen.
    Wyatt hatte die Pistole in der Hand, das Messer war über seinem Fußknöchel festgeschnallt. Zwanzig Meter vor der Böschung sah er einen Trampelpfad. Es war der schnellste Weg zwischen den Felsen und Bäumen hindurch und er führte zum Haus und den Schuppen. Dieser Weg war verführerisch: Ein Naivling würde ihm ohne Bedenken folgen. Nicht so Wyatt. Er ließ ihn links liegen, und dann geschah alles gleichzeitig, im Guten wie im Bösen.
    Irgendetwas, eine Veränderung in der Atmosphäre, veranlasste ihn, sich umzudrehen und sich zu ducken. Das rettete ihm das Leben, denn der leichtgewichtige Pfeil einer Armbrust bohrte sich durch den Ärmel seines Hemds in seinen kräftigen Oberarm und nicht in seine Brust. Wyatt verlor das Gleichgewicht, stürzte zu Boden und gab unwillkürlich einen Schuss ab. Es war ein heftiger Schmerz und Wyatt stellte verblüfft fest, dass sein Arm von Le Pages Stiefel niedergedrückt wurde.
    Ohne ein Wort zu sagen, entriss Le Page Wyatt die Waffe und ging ein paar Schritte rückwärts. Den Kopf leicht angewinkelt, die Armbrust in der einen, die Pistole in der anderen Hand, sah er Wyatt amüsiert an. »Ich denke, ich werde Ihre eigene Waffe gegen Sie richten.«
    Er zielte und drückte ab.
    Doch es blieb bei der Bewegung des Abzugs.
    Wyatt hatte die einzige Kugel bereits verschossen. Die restlichen befanden sich in seiner Tasche, in einem zusätzlichen Ladestreifen. Er hatte nach dem Grundsatz geplant, mit nur einem Schuss zu töten. Sollte dies nicht gelingen und ihm die Waffe abgenommen werden, konnte sie nicht gegen ihn eingesetzt werden. Sollte er jedoch in einen Schusswechsel geraten, war es entweder zu spät oder es blieben ihm ein paar Sekunden, den leeren gegen den vollen Ladestreifen auszutauschen.
    Le Page blinzelte. Ein Fehler, der ihn einen Moment Zeit kostete. Er drehte die Pistole sogar in seine Richtung und betrachtete sie, was ihn einen weiteren Moment Zeit kostete.
    Zeit für Wyatt, das Messer aus der Scheide zu ziehen und es zu werfen.

    Impressum

    1. Auflage 2013

    Pulp Master eBook ISBN 978-3-927734-65-4
    Pulp Master Printausgabe ISBN 978-3-927734-46-2

    Alle Rechte vorbehalten
    Copyright © 2013 by Frank Nowatzki
    Copyright © 2010 by Garry Disher

    www.pulpmaster.de

    Zum Autor

    Garry Disher wurde 1949 im Süden Australiens geboren und wuchs auf einer Farm auf. Auf sein Konto gehen preisgekrönte Kinderbücher, klassische Romane, Sachbücher und Crime Fiction. Hierzulande gelang ihm mit Letzterem auf Anhieb der Durchbruch: Sein Romandebüt GIER um den Berufsverbrecher Wyatt wurde 2000 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, genauso wie 2002 sein erster Polizeiroman DRACHENMANN. Zuletzt erschien: NIEDERSCHLAG. Garry Disher lebt mit seiner Familie auf der Mornington Halbinsel.

    Garry Dishers Wyatt-Romane im Überblick:
    Gier
    Dreck
    Hinterhalt
    Willkür
    Port Vila Blues
    Niederschlag

    Zu den Übersetzern

    Ango Laina (Heinz-M. Vogel), geboren 1947 in Faßberg (Celle). Er ist Buchhändler,
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