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Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
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K APITEL 1
    »Es ist hier ja still wie in einem Grab. Müsste man nicht das Quaken von Enten hören?«, erkundigte sich Niklas Asmus leise. Was eigentlich launig gemeint war, geriet zu seinem eigenen Erstaunen eher misstrauisch, ohne dass er wusste, warum.
    Ose Godbersen, seine Verlobte und als Naturschützerin bestens mit den örtlichen Gegebenheiten in der Vogelkoje von Kampen vertraut, schüttelte den Kopf und winkte ihn in einen schmalen Pfad hinein, der vom Hauptweg abging. Sie ließen zwei kleine Backsteinbauten hinter sich. »Der Pirschweg des Kojenmanns«, sagte sie leise.
    Asmus folgte ihr schweigend. Gegenwärtig, im Frühjahr 1924, war er Schutzpolizist auf der Insel Sylt, versetzt aus Rostock. Er hatte das Glück gehabt, nur degradiert zu werden, er war nicht wie so viele andere im Polizeidienst der Weimarer Republik aus politischen Gründen entlassen worden. Aber seine lange Tätigkeit als Kriminalinspektor hatte ihn niemals dazu verführt, in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Auch wenn er sich in seiner neuen Position hauptsächlich um einen ruhigen Straßenverkehr in Westerland zu kümmern hatte.
    Hier im Wald, der die Entenkoje umgab, war es Asmus entschieden zu still. Erlen und Pappeln umgaben sie, manches Schlingengewächs wand sich um die bemoosten Bäume, und auf dem Boden wuchsen hohe Farne. Es war fast gespenstisch.
    Andererseits war die Stille erholsam gegenüber der Hektik, die mit den eintreffenden Sommergästen in WesterlandEinzug hielt. Armut und Not unter den einheimischen Arbeitern, die fast alle arbeitslos waren, wuchsen zwar, die nächtlichen Straßen aber waren erfüllt vom Lärm betrunkener Gäste, die sich stark vom Publikum der Vorkriegszeit unterschieden, wie man Asmus erzählt hatte. Westerland war nicht mehr der elegante, friedliche Badeort. Asmus stolperte über eine Baumwurzel, was ihn aus seinen umherwandernden Gedanken riss. Er hörte Ose wieder zu.
    »Im Kojenteich werden sich jetzt höchstens ein paar Stockenten aufhalten«, erklärte Ose aufgeräumt. »Die schnattern nur ganz leise, wenn sie sich unterhalten. Und die Scharen von Spieß-, Pfeif- und Krickenten, an die du wahrscheinlich denkst, fallen erst auf dem Durchzug in die Winterquartiere hier ein, im Herbst also. Die machen wirklich Lärm, besonders wenn sie eine neue Schar begrüßen.«
    »Aha. Eigentlich war es eine interessante Art des Vogelfangs.«
    Ose blieb abrupt stehen, und dem Polizisten, der ihr gefolgt war, schlugen die Zweige des mittlerweile fast zugewachsenen Pirschweges ins Gesicht. »Aber Nis! Du wirst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass du das Ende dieses scheußlichen Vogelfangs bedauerst!«
    Asmus drückte Äste in die Höhe, unter denen Ose leicht hindurchkam, aber er nicht, weil er noch größer als sie war. »Ich habe lediglich bemerkt, dass er interessant im Sinne von ungewöhnlich war. Ich wusste bis dahin nur, dass man in anderen Ländern große Vögel schießt und kleine in Netzen fängt.«
    »Ja, leider. Dort wie hier fallen der Jagdleidenschaft jedes Jahr Tausende Tiere zum Opfer.«
    Die Anteilseigner an diesen Vogelkojen hatten gutes Geld verdient, so viel wusste Asmus schon. Ähnlich wie früher die Gesellschafter bei Schiffen, die ihm als Reedersohnviel vertrauter waren. Anreiz war immer das Geld. Auf den armen Inseln konnte man das allerdings niemandem verübeln. Jeder musste zusehen, wie er unter den gegebenen Möglichkeiten seine Familie ernährte.
    Kurze Zeit später standen sie vor einer Bretterwand, in der eine Öffnung den Blick auf den Teich zuließ. »Wir sind da«, flüsterte Ose. »Und ein paar Enten auch.«
    Eine Entenmutter führte einige Küken. Sie nahm keine Notiz von den verborgenen Besuchern, auch nicht, als sie sich durch das Unterholz den Weg zu dem viereckigen Teich inmitten des Hains bahnten. Er war weitaus größer, als Asmus ihn sich vorgestellt hatte.
    »Man merkt, dass es keinen Kojenmann mehr gibt. Jetzt im Mai hätte er sich um das Wäldchen kümmern müssen, tote Bäume entfernen, neue anpflanzen, die Wege gut begehbar machen  …« Ose stieß einen wehmütigen Seufzer aus. »Komm weiter.«
    »Tut es dir jetzt doch leid um die Entenkoje?«
    »Wegen der Enten, die nun geschont werden, nicht. Aber es war ein Stück Kultur auf der Insel, zwar durch Menschenhand entstanden, aber fremd wirkte sie nicht. Und nun verwildert sie einfach.«
    »Deshalb wollt ihr euch ja darum kümmern.«
    »Stimmt«, sagte Ose lächelnd. »Beinahe hätte ich vergessen, weshalb
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