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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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erzählte ihr, was geschehen war.
    »Hast du sie erwischt?«
    »Ja.«
    Ma lächelte, allerdings ohne viel Herzlichkeit. Sie nahm es hin, dass Wyatt es nicht ihr zu Gefallen getan hatte. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass es da einen Franzosen geben soll.« Wyatt starrte sie an. Ma gönnte sich noch einen Schluck Scotch und schien vor sich hin zu dösen. Mit geschlossenen Augen sagte sie: »Du willst mich nicht zum Feind. Deshalb bist du heute Abend hergekommen.«
    »Du hast einen langen Arm und ein noch längeres Gedächtnis. Du kennst eine Menge Leute. Und viele sind dir noch was schuldig.«
    »Und ob!«, sagte Ma.
    Sie schwiegen wieder.
    »Ich vermute mal, du hättest ihn auch im Meer versenken können«, sagte Ma.
    »Wenn ich ihn getötet hätte, dann ja.«
    »Trotzdem, du hättest ihn verschwinden lassen können, sodass man ihn nie mehr gefunden hätte.«
    »Wenn ich das getan hätte«, erwiderte Wyatt, »wenn er einfach so verschwunden wäre, wärst du mir auf den Fersen geblieben.«
    Ma nickte. »Er war besessen von dir. Er hat gewusst, dass du was in der Mache hast.«
    »Ich hätte ihn niemals mit ins Boot geholt«, sagte Wyatt. »Nicht in einer Million Jahre.«
    Ma zeigte einen Anflug von Verärgerung, doch dann seufzte sie. »Richtig.«
    »Du hast die Möglichkeiten, seine Leiche abholen zu lassen und für ein anständiges Begräbnis zu sorgen und niemand wird sich drum scheren«, sagte Wyatt. Von Ma mit Argusaugen beobachtet, kramte er in seinen Taschen und fand den Schlüssel für das Apartment. Er legte ihn auf die Glasplatte des Tisches.
    Ma bedankte sich mit einem Nicken. Gleichzeitig war sie Geschäftsfrau und Geld verdienen spielte eine ebenso große Rolle wie Anrechte und Verantwortung in familiären Dingen. »Du kriegst ein sauberes Apartment. Und was krieg ich?«
    »Neben der Familienzusammenführung mit deinem Neffen?«, fragte Wyatt und zog eine Augenbraue hoch.
    Sein Verständnis von Humor. Ihre Miene verdüsterte sich und es war, als zögen Sturmwolken auf. »Du meinst, das reicht? Tyler war ein Versager. Seine Mutter — meine Schwester — war eine Versagerin. Ich hab’s verdient, nach all den Jahren voller Zwietracht und weil ich deinen Dreck wegräume.«
    Wyatt bedachte sie mit seinem kalten Lächeln, um ihr klarzumachen, dass es nur Stichelei gewesen war. »Ich verkaufe das Apartment. Es ist alles sauber, sämtlicher Papierkram ist geregelt. Das Mobiliar gehört dir.«
    »Großartig. Ein paar Stühle von Ikea und ’ne Mikrowelle.«
    »Gemälde«, sagte Wyatt, »im Wert von einer Viertelmillion Dollar.«
    »Gemälde.«
    Wyatts Blick wanderte zur offenen Tür und weiter ins Haus, in den Flur mit seinen kahlen Wänden. »Die würden sich hier sehr gut machen, Ma.«
    Ihm war klar, dass sie angebissen hatte. Ihre Vorstellung von der Dekoration eines Hauses erschöpfte sich in Wänden, bepflastert mit Postern und Wimpeln des Collingwood Football Clubs. Er stellte eine Quittung für sie aus und übergab ihr die Herkunftspapiere. »Jetzt gehören sie offiziell dir. Sie sind sauber. Ich habe sie legal erworben.«
    »Warner?«, fragte Ma und kniff die Augen zusammen, die Papiere nur Zentimeter von ihrer dicken Nase entfernt.
    »Ein Name, den ich nicht mehr benutzen kann.«
    »Und wo gehst du jetzt hin?«
    »Dorthin, wo das Geld ist«, sagte Wyatt.

    48

    Was Le Pages Fleckchen Erde betraf, war der Herbst die schönste Zeit. Viele Leute bevorzugten den Frühling, aber für Le Pages Geschmack war der Frühling schlicht zu zügellos, wenn die Brombeersträucher ihre fordernden Zweige ausstreckten, die Bäume voll waren mit noch unfertigem Blattwerk, das Farnkraut zu sehr schimmerte, die Bäche und die Flüsse an den Hängen unter der Schneeschmelze anschwollen und hemmungslos dahinflossen, wenn Straßen, Wanderwege und Ortschaften übervölkert waren mit Touristen. Le Page war noch nie einem Touristen begegnet, der nicht gewöhnlich und übertrieben ausgerüstet gewesen wäre. Irgendwo musste es eine Fabrik geben, die Touristenklone am Fließband produzierte.
    Also dann der Herbst.
    Er liebte es, am Nachmittag zu wandern, und an den meisten Tagen nahm er eine ganz bestimmte Route. Stets begann er mit einem Pfad, einem Schotterweg, der sich etwa einen Kilometer durch einen Buchenwald schlängelte, unter einem Baldachin aus Laub, so dicht, dass Licht und Geräusche gedämpft und Le Pages Schritte von den Blättern fast verschluckt wurden, die als Tupfen auf dem feuchten Boden zu sehen waren. An der
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