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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Autoren: Catherine Robertson
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    Die ersten Risse zeigten sich, als am Mittwochabend um 17.43Uhr das Telefon klingelte. Mo kniete gerade in der Küche vor ihrer acht Monate alten Tochter Rosie und löffelte Biogemüsebrei in ihr weit aufgesperrtes Mäulchen, der ein paar Stunden später an Rosies anderem Ende wieder zum Vorschein kommen würde– kaum verändert in Farbe und Konsistenz, beträchtlich verändert indes im Aroma. Im Augenblick roch der Gemüsebrei ganz ähnlich wie die erste Kürbispastete, die Mo fabriziert hatte. Dieser Geruch (Kompostreste mit einem Hauch Hustensirup) war einer der beiden Hauptgründe, warum es auch Mos letzte Kürbispastete gewesen war. Der zweite bestand darin, dass sie nicht richtig aufgegangen, sondern in klebrige Bröckchen zerfallen war, die an de n Auswurf bei akuter Nebenhöhlenentzündung erinnerten.
    Glücklicherweise hatten Chad und sie Thanksgiving damals allein verbracht. Es war ihr erstes gemeinsames Thanksgiving gewesen, acht Monate nach ihrer Hochzeit, noch vor den Kindern, und glücklicherweise schwiegerelternfrei. Chads Vater hatte von einer europäischen Megabank einen Bonus bekommen, der aus einer Reise nach Rom bestand, und seine Frau gleich mitgenommen. Dieser glückliche Umstand sollte sich für die folgenden Thanksgiving-Feierlichkeiten der Familie Lawrence nie mehr wiederholen.
    Chad hatte damals auf die Bröckchen gestarrt und gefragt: » Macht man in Neuseeland keine Kürbispastete?«
    » Nein, verdammt noch mal!«, hatte Mo gezischt. » Auch keine Babymarshmallows mit Süßkartoffeln oder Salat im Gelatinemantel. Wir haben Lammbraten und Pavlova-Baisertorte, wie alle normalen Menschen!«
    Chad hatte sie mit wehmütigem Blick angesehen: » Ich mag Babymarshmallows mit Süßkartoffeln.«
    Mo hatte den Kopf geschüttelt. » Nicht mit mir, Cowboy. Solange noch Blut in meinen Adern fließt, gibt es in diesem Haus keine perverse Mischkost aus Knollen, Fleisch und Zuckerbomben.«
    Natürlich musste Mo bei jedem nachfolgenden Thanksgiving im Haus ihrer Schwiegermutter ohnmächtig zusehen, wie sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn Harry Truthahn mit Würstchenfüllung und Kartoffelbrei mit extra Schmelzkäse verschlangen– ganz zu schweigen von dem Süßkartoffelauflauf mit Marshmallow-Sahnesauce, der niemals fehlen durfte, weil » Chad das immer am liebsten gegessen hat«. Mo bemerkte, dass Chad geflissentlich ihren Blick mied, als der Servierlöffel mit einem rosa Klumpen schmatzend aus der Auflaufform auftauchte. Sie war nur froh, dass Chads Mutter die Zugabe von Gelatinewürfeln an alles und jedes, ganz gleich ob süß oder herzhaft, als ›geschmacklos‹ abtat. Und dass sie mit dem Wein nicht geizte.
    Nein, der Wein floss bei Virginia Lawrence in Strömen, und dafür mochte Gott sie segnen! Zwar hatte Mo ihre Schwiegermutter noch nie auch nur ansatzweise betrunken gesehen, doch gab es mit Sicherheit einen Grund, warum Harry sie immer ›Gin-Gin‹ nannte.
    Mo warf einen Blick auf ihren Sohn, der sich am Tisch methodisch durch einen Berg aus Bohnen, Reis und Karotten arbeitete. Mit seinen drei Jahren ging er alles langsam und stetig an. Er weigerte sich, eine Aufgabe unerledigt zu lassen, ließ sich jedoch auch nicht zur Eile antreiben. In dieser Hinsicht war er genau wie sein Vater, dem er auch körperlich ähnelte. Beide waren bedächtig, blond und kompakt gebaut. Um ehrlich zu sein verlieh Harry dem Wort ›kompakt‹ ganz neue Dimensionen. Es kam vor, dass Freunde sich zu ihm beugten, um ihn hochzunehmen, und ›Ach du Scheiße!‹ riefen (oder ›Meine Güte‹, je nach dem, ob es enge Freunde oder nur Bekannte waren). Selbst Lowell, Chads Vater, der bis vor Kurzem noch so gesund und robust gewesen war wie der Gott einer Wagneroper, hatte Mühe gehabt, Harry hochzuheben.
    Mo lächelte ihren Sohn liebevoll an. Ihre Tochter, die so bedächtig war wie ein fehlzündender Feuerwerkskörper, duldete allerdings nicht mal eine Sekunde Unterbrechung beim Füttern. Sie quiekte wütend auf, warf sich nach vorn und griff nach dem Teller.
    » Scheiße!« Mo entriss Rosie den Teller, woraufhin er in die Höhe katapultiert wurde, sich um sich selbst drehte und einen Kreisbogen aus braunem Brei hinterließ. Dieser landete zum größten Teil auf Rosie, die sofort einen markerschütternden Schrei ausstieß wie Maria Sharparova auf dem Center Court. Ein großer Spritzer aber platschte direkt in Mos Auge. » Scheiße!«, brüllte sie noch einmal und rieb sich hektisch das Auge. » Scheiße, Mist, Mist, das
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