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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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wieder und schloss die Tür. Lydia kam nicht herausgestürzt.
    Wyatt fiel ein, dass Lydia eine dritte Alternative gehabt hatte: Sein Apartment im ersten Stock. Wenn sie zu dem Schluss gekommen war, dass Eddies Schätzchen es bereits unter die Lupe genommen hatte, könnte sie dorthin gegangen sein. Sie könnte auch geschlussfolgert haben, dass er das Gleiche tun würde.
    Er ging die Treppe hinunter, bog in den Flur ein und blieb stehen. Der Pulvergeruch war scharf und frisch.
    Er schlich zu der blauen Tür, sah das gesplitterte Holz, das Loch und war überzeugt, dass Lydia tot war. Er unterdrückte jegliche Gefühlsregung, schloss die Tür auf, wollte sie öffnen und scheiterte am Widerstand von Lydias Körper. Er stemmte sich dagegen, schlüpfte durch den Spalt, blieb für einen Moment regungslos stehen und betrachtete die am Boden liegende Leiche und die Blutlache.
    Er hatte sich innerlich völlig verkrampft. Jetzt überkam ihn Erleichterung. »Tyler«, sagte er. »Du dummes Arschloch.«
    Lydia hatte es geschafft, das wusste Wyatt jetzt. Er ging durch das Apartment, um ganz sicher zu sein, und kehrte zurück zu Tylers Leiche. »Dummes Arschloch«, sagte er noch einmal und sah hinunter auf den trotzig verzogenen Mund von Ma Gadds Neffen.

    ***

    Selbst als Toter war der Junge noch ein Problem. Am späten Abend fuhr Wyatt in einen exklusiven Winkel von Brighton, in eine am Wasser gelegene ruhige Straße mit viel Grün. Er konnte sich gut vorstellen, dass Ma Gadd mit ihrer unförmigen Figur, den abgetragenen Schlappen an ihren geschwollenen Füßen, den Bartstoppeln, dem ständigen Qualmen von Zigaretten und ihrer Bierkutscherstimme ihren Nachbarn peinlich war. Ganz sicher hassten sie Ma Gadd, weil sie das Niveau nach unten zog, weil sie reicher und durchtriebener war als sie. Sie konnten ihr nicht einmal vorwerfen, ein stilloser Parvenü zu sein, weil sie sich damit selbst charakterisiert hätten oder das, was sich hinter ihren Fitnesstrainern verbarg, hinter ihren Kinder auf den Gymnasien, hinter ihren BMWs.
    Es war fast Mitternacht, als er an die Tür klopfte. Er war nicht überrascht, als die Antwort auf sein Klopfen in der Mündung einer Waffe bestand, die sich unten an seinem Rückgrat wetzte.
    »Hallo, Ma.«
    »Du lässt nach, mein Junge.«
    »Ich hab gewusst, dass du hinter mir stehst, Ma.«
    »Na sicher doch«, sagte Ma und ließ den Arm mit der Waffe sinken.
    Wyatt drehte sich um zu ihr. »Du hast ein Blatt im Haar.«
    »Halt die Klappe. Ich nehm an, du bringst keine guten Nachrichten mit?«
    »Richtig.«
    Ma seufzte. »Lass uns reingehen.«
    Im dunklen Bereich der Eingangsstufen konnte sie niemand sehen, denn Brighton war ein wahrer Wald aus dichten Hecken, aber nachts tragen Stimmen nun mal. »Hinten rum«, sagte Ma.
    Wyatt folgte ihr zu einem großen, breit angelegten Garten voller Rosen: Rosen an Spalieren, Rosen in Beeten, Rosen, die sich entlang von Pfaden mit weißem Kies und um Goldfischteiche schlängelten, um Beete mit Kräutern und Tausendschön. Die Luft war schwer und doch angenehm, und Wyatt atmete tief durch, als Ma eine Glastür in einer Glasfront öffnete und ihn zu einem honigfarbenen Korbstuhl neben einem Korbtisch mit Glasplatte führte.
    »Einen Drink?«
    »Nein.«
    »Ich glaube, ich kann einen vertragen«, sagte Ma Gadd und verließ den Wintergarten.
    Wyatt fühlte eine gewisse Anspannung, aber als Ma zurückkam, kam sie allein, ein Glas und eine Flasche Glenfiddich in der Hand. Sie füllte das Glas, leerte es und füllte es noch einmal.
    »Wo ist er?«
    »Er liegt hinter meiner Wohnungstür.«
    »Hast du dafür gesorgt?«
    »Er selbst hat dafür gesorgt, Ma.«
    »Ich meine, bist du schuld, dass er da liegt?«
    Wyatt schüttelte den Kopf. »Er hat mir aufgelauert, um mich umzubringen. Jemand muss an die Tür geklopft haben. Als er durch den Spion schauen wollte, hat man ihn erschossen.«
    Ma verzog das Gesicht und setzte das Glas an die Lippen. »Besaß nicht ’nen Funken Verstand«, meinte sie dann.
    Wyatt erwiderte nichts.
    »Irgendwann muss er dir nach Hause gefolgt sein«, sagte Ma in einem Ton, als würde nicht einmal Butter auf ihrer Zunge zergehen.
    »So muss es gewesen sein«, sagte Wyatt.
    Schweigen. Ma ließ offensichtlich die vergangenen Jahre Revue passieren. »Du bist ein paar Leuten mächtig auf die Füße getreten und mein Neffe hat dafür büßen müssen«, sagte sie schließlich.
    Wyatt wollte nicht, dass sie das Ganze so interpretierte. Deshalb war er hergekommen. Er
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