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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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klammen Rolle Banknoten ab, ließ sich Zeit dabei, als wolle er so seine Geringschätzung zusätzlich unterstreichen. Lydia stand auf und ging hinaus, zurück auf die Straßen von Richmond.
    Sie war kurz davor aufzugeben. Nur zehn Dollar in der Tasche, irgendwie war das schlimmer, als überhaupt nichts zu haben. Zehn Dollar, mehr war sie nicht wert, mehr aufzutreiben, dazu war sie nicht in der Lage. Sie ließ die Schultern hängen und hätte am liebsten geheult.
    Dann kam ihr die Flucht aus Wyatts Apartment in den Sinn. Hatte sie das tatsächlich gemacht? Ganz allein? Diese Wyatt-Aktion?
    Wie Wyatt denken. Das wäre ihre Rettung.
    Und so begann Lydia Stark mit einem Entwurf für die nächsten Stunden in ihrem Leben. Planen, Risiken einkalkulieren. Entscheidungen treffen, die sie nach South Yarra führten, zu einem Haus, das sie aus der Phase kannte, als sie Henri Furneaux beschattet hatte.
    Furneaux war seit Donnerstag tot. Ganz sicher würde die Polizei ihre Ermittlungen in dem Haus inzwischen abgeschlossen haben, oder? Sie legte sich auf die Lauer, wartete in der abendlichen Dunkelheit, ob sich auf der Straße oder in einem der Nachbarhäuser etwas bemerkbar machte, was auf ein Observationsteam hindeutete, doch diese Ecke von Melbourne lag im Schlummer, eingehüllt in Dunkelheit und ruhiggestellt mit wertvollem Besitz und altem Geld, an das nur schwer heranzukommen war.
    Sie huschte in den Vorgarten und an Büschen und Sträuchern vorbei zur Eingangstür. Nirgends ein Schlüssel, nicht unter den Steinen, nicht unter den Blumentöpfen, also ging sie an der Seite des Hauses entlang nach hinten und entdeckte den Haushaltsraum. Sie nahm das Fenster neben der Tür ins Visier. In der Straße war es totenstill; alle Welt würde mitbekommen, wenn man hier eine Scheibe einschlug. Sie wollte den Rückzug antreten.
    Doch manchmal winkte einem das Glück — ob auch Wyatt das Glück auf seiner Seite hatte? —, denn genau in diesem Moment hob in einem Schuppen hinter dem Zaun ein mächtiges Spektakel an. Schlagzeug, Gitarren, gefolterte Stimmbänder. Teenager, vermutete Lydia, eine Garagenband. Sie schlug das Fenster des Haushaltsraums ein, griff hindurch, um die Tür zu entriegeln, und betrat das Haus. Die Alarmanlage bereitete ihr kein Kopfzerbrechen: Die Polizei musste sie abgeschaltet und nicht wieder angestellt haben, wohl wissend, dass man das Haus eventuell ein weiteres Mal aufsuchen musste.
    Zuerst sah sie sich um. Und das Glück blieb ihr treu. In einem Schrank neben der Spüle fand sie eine Taschenlampe, Malerkrepp und Gummihandschuhe. Sie ging in den Hauptteil des Hauses und dort von Zimmer zu Zimmer; die Hände in Gummihandschuhen, ließ sie alle Jalousien herunter und klebte die Außenkanten mit dem Malerkrepp an die Fensterrahmen. Ihr war klar, dass die Fenster nicht völlig verdunkelt waren, also richtete sie den Schein der Taschenlampe auf den Boden, während sie ein zweites Mal durch die Zimmer streifte und sich mit der Ausstattung vertraut machte. Sie hatte Furneaux für einen Weichling gehalten, aber das Haus war ein neuer Kasten, sparsam möbliert, mit großen weißen Wandflächen und glänzenden Holzdielen. Ein kaltes Haus, ein unpersönliches Haus, ungeliebt und unbewohnt. Im hinteren Teil stieß sie auf Glas, kühle, nackte Glasflächen, die auf einen terrassenförmig angelegten Garten hinausgingen. Danach hielt sich Lydia nur noch in den vorderen Räumen auf. Sie bewegte sich, als stecke sie in Wyatts Haut — oder er in ihrer, vielleicht —, couragiert, beherrscht und konzentriert.
    Es gab eine Menge Anzeichen, dass die Polizei das Haus durchsucht hatte. Furneaux hätte nicht die Möglichkeit gehabt, sich darüber zu beschweren. Und so war Lydia gezwungen, zwischen umgestülpten Schubladen, umgedrehten Matratzen und den Inhalten aufgerissener Nudel- und Kekspackungen hindurchzuwaten. Man hatte Furneaux’ Computer sichergestellt, Schreibtisch und Aktenschrank waren bar jedes Papierfetzens. Sie hatten den Kühlschrank geplündert und den Deckel des Spülkastens in die Wanne geworfen. Im Eingangsbereich war die Abdeckung für den Abfluss nicht wieder eingesetzt worden, die Spüle im Haushaltsraum war voller Waschmittel und die Eingeweide des Fernsehers waren bloßgelegt.
    Lydia nahm sich den Gartenschuppen vor und die Garage: Die gleiche Geschichte. Vielleicht hatte die Polizei bereits Furneaux’ Utensilien für eine Flucht entdeckt. Lydia war überzeugt, es musste ein Versteck dafür geben, für
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